von IMKE SCHULTE-LOBBERT
Stadtteilpolitiker wolle eine Interessengemeinschaft gründen / "Die Ladeninhaber müssen aktiv werden""
Für die einen büßt der Oeder Weg zunehmend an Vielfalt und Individualität ein. Für die anderen bleibt die Straße im Nordend einzigartig. In der Vergangenheit mussten zahlreiche Läden schließen. Ein Problem sind die hohen Mieten.
NORDEND • Ein Fahrradfahrer biegt aus der Adlerflychtstraße in den Oeder Weg, schlängelt sich zwischen fahrenden Autos und Fußgängern hindurch. Ein Bus und parkende Autos verhindern die Weiterfahrt. Auf dem Oeder Weg stockt mal wieder der Verkehr. „Ich wollte hier nur schnell ein paar Besorgungen machen", erzählt der Mann und schließt sein Rad an einen Pfosten. Seit über 30 Jahren wohne er im Nordend. Seine Einkäufe erledige er hauptsächlich auf dem Oeder Weg. „Hier gibt es alles, was ich brauche", sagt er.
Die Einkaufsstraße im Nordend ist bekannt für ihre bunte Mischung von modernen und alten, oft inhabergeführten Geschäften. „Diese Vielfalt droht seit einigen Jahren verloren zu gehen", sagt die Ortsvorsteherin Karin Guder von den Grünen. „Mit Erweiterung der Öffnungszeiten fällt es den Inhabern noch schwerer, sich gegen die Konkurrenz auf der Zeil zu behaupten." Was die Läden im Nordend von den großen Kaufhäusern unterscheide, sei ihr persönlicher Charakter.
Das weiß auch Studentin Kerstin Paul zu schätzen: „Wo bekommt man heute sonst noch beim Einkaufen Zubereitungstipps inklusive?" Doch gerade die kleinen Geschäfte haben es im Oeder Weg oft schwer. „Für viele Inhaber ist es kaum möglich, die hohen Mieten zu erwirtschaften", sagt Matthias Herkert vom gleichnamigen Feinkostladen. Er selbst sei zwar zufrieden mit seiner Miete aber er weiß: „Im Nebenhaus sind die monatlichen Kosten sehr hoch." Zu hoch für die 37 Jahre hier ansässige Boutique Tiffany. Der Bekleidungsladen schloss am 20. Januar. Die Miete habe sich im letzten Jahr verdoppelt, so der Inhaber.
Auf dem Oeder Weg gab es in den vergangenen Jahren ein reges Kommen und Gehen. Kurz vor Weihnachten schloss die Filiale
von Foto Neithold. „Der Laden hat sich im Gegensatz zu unseren anderen drei Frankfurter Filialen nicht mehr getragen", erklärt Geschäftsführer Peter Podolski. Vor drei Jahren wechselte der bekannte Outdoorladen Sine vom Oeder Weg in die Große Eschenheimer Straße. Nachdem die Räume zwei Jahre leer gestanden hatten, zog schließlich ein Sonnenstudio ein. „Solche und ähnlich unpersönliche Geschäfte sind aber nicht das, was wir uns hier wünschen", so die Ortsvorsteherin.
Für einen attraktiveren Oeder Weg setzt sich auch der Stadtbezirksvorsteher Pieter Zandee ein. Im Oktober veranlasste er, dass an dem kleinen Platz bei der Finkenhofstraße Bänke aufgestellt wurden. „Um den Einzelhandel zu stärken, müsste die Straße dringend schmäler werden", sagt Karin Guder. „Das sind Instrumente des Ortsverbandes, aber was die hohen Mieten angeht, sind wir machtlos." Sie appelliert an das Verantwortungsbewusstsein der Immobilienbesitzer und fordert, dass die Stadt auf die Vermieter einwirkt. Auch das Engagement der Einzelhändler sei gefragt. Denn im Gegensatz zur unteren Berger Straße gibt es im Oeder Weg keine Interessengemeinschaft, um Projekte wie ein Straßenfest zu initiieren.
Das letzte Oeder Weg-Fest organisierte Mitte der 90er Jahre die vor Jahren verstorbene Anna Graßl von Annas Pelzmoden. „Der Oeder Weg kann nur weiter bestehen, wenn er etwas bietet", sagt Guder.
Zandee, Guder und Heinz Schmitz vom City Forum der IHK laden die Einzelhändler für Ende Januar zu einem runden Tisch ein. „Unser Ziel ist es, eine Interessengemeinschaft zu gründen", erklärt Zandee. Der Ortsbeirat 3 wolle dabei als Katalysator wirken. „Letztlich ist es aber Sache der Inhaber, aktiv zu werden", sagt Zandee.
Der Fahrradfahrer kommt mit Tüten in der Hand aus einem türkischen Gemüseladen und wechselt zügig die Straßenseite. „Ja, es hat sich einiges verändert in den letzten Jahren", bestätigt er. „Früher flanierten die Leute noch gemütlicher auf und ab." Dass Läden schließen mussten, sei schade. „Einigen Geschäften scheint es aber hier ziemlich gut zu gehen", sagt er und zeigt auf den Bioladen: „Über zu wenig Kundschaft können die sich bestimmt nicht beklagen." Der Mann entdeckt einen Bekannten auf der anderen Straßenseite, grüßt herüber und erklärt: „Man kennt sich halt. Das ist das Schöne hier." IMKE SCHULTE-LOBBERT
von SANDRA BUSCH
Geschäftsleute wollen Interessengemeinschaft wiederbeleben / Ortsvorsteherin kündigt Unterstützung an
Im Oeder Weg soll sich etwas tun. Die lange inaktive Interessengemeinschaft will sich aufraffen und darüber nachdenken, wie die Einkaufsstraße in City-Nähe attraktiver werden kann.
NORDEND •„Der Oeder Weg hat mit seinen kleinen Geschäften ein Wahnsinnspotential", sagte Stadtbezirksvorsteher Pieter Zandee bei einer Diskussionsrunde der Einzelhändler in der „Eintracht-Kneipe". „Gemeinsam kann man mehr daraus machen." Ziel könnte es deshalb sein, eine Interessengemeinschaft (IG) zu gründen.
Der Vorschlag wurde von den knapp 30 Ladeninhabern wohlwollend aufgenommen, die zu der Versammlung erschienen waren. Ihnen ist daran gelegen, dass die bunte Mischung nicht verloren geht und die Einkaufsstraße attraktiv bleibt. Auch Ortsvorsteherin Karin Guder (Grüne) kündigte an, sich für die Vielfalt im Oeder Weg einsetzen zuwollen. „Der Oeder Weg hat für das westliche Nordend eine große Bedeutung als Nahversorgungszentrum und urbaner Treffpunkt", sagte die Politikerin.
Ein Problem für die Einkaufstraße sei aber die nahe Innenstadt. „Der Oeder Weg wird nur dann Erfolg haben, wenn er seinen eigenständigen Charakter bewahrt." Denn dort gibt es nach ihrer Ansicht vieles, was die Geschäfte der City nicht böten: Beratung und Atmosphäre.
Guder räumte ein: „Es ist eine Durchgangsstraße - da kann sich kein Flair entwickeln." Das Bild der Straße müsse attraktiver werden. Gerne werde sich der Ortsbeirat mit den Händlern über die Straßengestaltung abstimmen. „Das ist aber leichter, wenn wir hier einen Ansprechpartner haben." Dafür sei eine Interessengemeinschaft eine gute Sache.
Nicht nur Guder und Zandee waren erstaunt zu hören, dass es einen solchen Zusammenschluss bereits gibt. Edwin Stengel, dessen Frau seit 27 Jahren einen Schreibwarenladen führt, engagierte sich sich jahrelang in der IG. „Das hat doch keinen Sinn", sagte Stengel. Die Stadt gebe keine Rückendeckung. Alles, was sie vor Jahren versucht habe, sei „stümperhaft" gewesen. „Wir haben zwar Parkplätze in der großen Kurve bekommen, doch es sind keine Kurzzeitparkplätze für Kunden"; kritisierte Stengel. Die Abstellflächen seien den ganzen Tag von Dauerparkern blockiert.
Die Interessengemeinschaft hatte sich vor 15 Jahren gegründet und auch das erste Straßenfest im Oeder Weg organisiert. „Das war ein großer Erfolg", erinnerte sich Stengel. „Aber verdient hat daran keiner - außer der Stadt." Auflagen und Abgaben seien hoch gewesen und in den nächsten Jahren „immer doller" geworden. Schließlich habe man aufgegeben. Gast Edda Reyl von der Arbeitsgemeinschaft Schweizer Straße gab Stengel Recht. „Wir verdienen auch keinen roten Heller an unserem Fest - aber bei einer Interessengemeinschaft geht es ja nicht nur um das Fest." Einfluss sei nur möglich mit einer starken Gemeinschaft. Das werde auch den Oeder Weg weiterbringen. Und das müsse auch geschehen, wolle man der wachsenden Konkurrenz der City begegnen.
Deshalb war auch Dirk Körner gekommen, Inhaber der Bar „21. Jahrhundert". „Ich möchte nicht darauf warten, dass andere etwas tun." Die Verbitterung könne er zwar verstehen, aber „die muss abgelegt werden, damit Platz für neue Kräfte ist". Verena Atzert-Bell von den beiden Piano-Geschäften der Straße pflichtete ihm bei: „Es bringt sicher nichts, wenn wir nix machen." Deshalb einigte man sich schließlich während der Veranstaltung darauf, neue Impulse im Oeder Weg zu setzen. Was sich im Einzelnen ändern könne, wollen die Händler in zwei Wochen besprechen.
SANDRA BUSCH