Der von einem breiten Wassergraben umgebene, nur über eine altertümliche Zugbrücke zugängliche Kühhornshof im Norden der Stadt, von dem heute nur noch ein spärlicher Rest vorhanden ist, muß einst eine romantische Idylle gewesen sein. Um einen massiv aus Bruchsteinen erbauten Turm, der wohl einmal der Mittelpunkt des Verteidigungssystems an der nördlichen Frankfurter Landwehr gewesen ist, reihte sich, zwanglos im Rechteck angeordnet, eine Reihe von ländlich wirkenden, zum Teil aus Fachwerk erstellten Gebäuden; Bei der Belagerung Frankfurts durch Moritz von Sachsen (1552) waren sie von feindlichen Truppen niedergebrannt worden. Der Turm, das Herrenhaus, über einem massiven Keller erbaut, und seine Nebengebäude, von denen ein kleines, mit einem Spitzbogen überdecktes Pförtchen hinaus nach dem Graben führte, dürften erst im 16. Jahrhundert, wahrscheinlich in den Jahren 1581 bis 1586, entstanden sein. Das Haupthaus enthielt im ersten Stock einen geräumigen Saal und in dem steilen Giebel mehrere übereinanderliegende Speicher. Ein im 18. Jahrhundert errichteter Erweiterungsbau mußte auf die Ringmauer aufgesetzt werden, ein Zeichen dafür, wie platzbeschränkt man in diesem „Außenfort“ der „Festung Frankfurt“ war.
Doch dicht bei der Idylle herrschte das Grauen. Unweit der Hofanlage befand sich das Feldgericht, wo von gestrengen städtischen Richtern die armen Teufel abgeurteilt wurden, die sich, oft aus Not, eines „Feldfrevels“, eines mehr oder minder geringfügigen Diebstahls, schuldig gemacht hatten. An einem steinernen Tisch saß, ebenfalls auf steinernen Bänken, das Gericht, umgeben war der Platz von einer etwa 1,90 Meter hohen Umfassungsmauer, Neugierige konnten also bequem den Verhandlungen beiwohnen. Er war von hohen Bäumen eingefaßt, nach Bildern, die auf uns gekommen sind, muß er einen unheimlich-düsteren Eindruck gemacht haben. Der „Sünder“ konnte noch von Glück sagen, wenn er mit einer entehrenden Verspottung davonkam. Ein bis heute erhaltenes, wenn auch stark zerstörtes Relief, einen Fuchs mit einer Laute darstellend, läßt darauf schließen, daß dem Sünder eine Laute umgehängt wurde (dies galt im Mittelalter als Schande); er wurde also damit symbolisch an den Pranger gestellt und dem Gespött der Leute preisgegeben. Ob es angesichts der barbarischen Strafen, die damals auch für geringfügige Vergehen verhängt wurden, dabei geblieben ist? Wir können dies nur vermuten. Gerichtsurteile sind nicht überliefert.
Pikanterweise wird bereits in der ersten erhaltenen Urkunde über den Hof der (heute noch existierende) „Diebsweg“ erwähnt. 1323 verkaufte Frau Mechthild von Breuberg ihre Hofstatt, „die da stolzent uf den Dypewek“ (die zu dem Diebsweg führt), ein zum ehemaligen Königsgut gehörendes Gelände, an den Frankfurter Patrizier Jakob Knoblauch. Dieser war ein sehr mächtiger und angesehener Herr, Parteigänger Ludwigs des Bayern, in dessen Diensten er mehrfach diplomatische Missionen durchführte. Er vermehrte diesen Besitz noch durch den Ankauf benachbarter Grundstücke. Der Propst des St. -Bartholomäus-Stiftes verzichtete für diese umfangreiche Liegenschaft auf die Entrichtung des Zehnten, eine höchst seltene Ausnahme. Knoblauchs Sohn, ebenfalls mit Namen Jakob, verkaufte den Hof für 800 Gulden an den Rat der Stadt (1396), 1413 gab ihn die Stadt für 850 Gulden an Rudolf zum Humbrecht weiter, nicht ohne strenge Auflagen, die den Weiterverkauf an Auswärtige verhindern und der Stadt das Recht geben sollten, ihn jederzeit mit Truppen und Geschützen zu belegen.
Dann wanderte das reiche Besitztum im Laufe der Jahrhunderte von Hand zu Hand. Im 16. Jahrhundert kam es an Bernhard Kuhorn, seit dieser Zeit bürgerte sich der Name Kuhornshof für das in früheren Urkunden meist Knoblauchhof genannte Anwesen ein, 1600 erwarb es Heinrich von Bertram, seitdem kommt auch der Name Bertramshof vor. Etwa 1840 kam es an die Familie Rothschild; diese hatte wohl nur an den umfangreichen Ländereien, nicht aber an der Erhaltung der alten Gebäude Interesse. Der stattliche Herrenhof verfiel zusehends, im September 1868 mußte das Haupthaus abgerissen werden, vier Jahre später folgten die südlichen und die westlichen Hofgebäude. Ein Bericht aus dem August 1874 entwirft ein trostloses Bild: Der Graben ist versumpft, die Brücke am Zusammenbrechen, alles befindet sich in hoffnungslosem Verfall. Das Ende war gekommen.
Heute existiert nur noch der wehrhafte Verteidigungsturm. Er befindet sich auf dem Gebiet des Hessischen Rundfunks; geschmackvoll und sorgfältig restauriert steht er dort in der Nachbarschaft moderner Zweckbauten und erinnert an eine Zeit, in der der Norden Frankfurts oft genug von Krieg und Kriegsgeschrei widerhallte. Sonst halten nur noch Straßen- und Flurnamen („Kühhornshofweg“, „Bertramswiese“ und „Feldgerichtsstraße“) die Erinnerung an den befestigten Gutshof fest, der einmal bei der Verteidigung der „Festung Frankfurt“ eine wichtige Rolle gespielt hat.