Die Herren von Holzhausen waren ein stolzes Geschlecht. Etwa siebzigmal war ein Träger dieses Namens im Laufe der Jahrhunderte Bürgermeister der Stadt Frankfurt, auch das letzte Stadtoberhaupt führte diesen inzwischen weithin bekannten Namen, als die reichsstädtische Zeit in den Wirren der napoleonischen Kriege zu Ende ging. Andere dienten ihrer Vaterstadt und dem Kaiser als Stadtschultheiß oder als Gesandte. Der bedeutendste von ihnen war Hamman von Holzhausen (1467— 1536), viermal Bürgermeister, Humanist, Wegbereiter der Reformation, Mitbegründer der Lateinschule.
Geschäftlicher Wagemut und eine ganze Portion Glück legten den Grundstock zu einem bedeutenden Vermögen. Aus dem Orient führten sie kostbare Gewürze und Edelsteine ein, Pelze aus aller Herren Länder, Seidenstoffe und wertvolle Spitzen aus den Niederlanden. Äußerst risikoreich war dieser Fernhandel mit Luxusgütern schon wegen der langen, unsicheren Wegstrecken, bis die begehrten Waren in einem Frankfurter Lagerhaus feilgeboten werden konnten, aber ebenso gewinnbringend. Im „Trierischen Hof“, ihrem Wohnhaus in der Stadt, führten die „königlichen Kaufleute“ ein ebenso kultiviertes wie aufwendiges Leben. Ihr durch kluge Spekulationen vermehrter Reichtum, Häuser, Liegenschaften, Barvermögen, vererbte sich von Generation zu Generation weiter, jahrhundertelang.
Das gilt auch von der „ Öd“, dem befestigten, von einem Wassergraben umgebenen Gutshof, an dessen Stelle später das Holzhausenschlößchen getreten ist. 1503 wird Hamman von Holzhausen in einer Urkunde als ihr Besitzer genannt („die gross oede ... gelegen vor der Eschersheimer porten“). Sie wird wohl 1474 durch die Heirat Johann von Holzhausens mit Kunigunde von Lichtenstein, deren Vorfahren die Öde schon seit dem 14. Jahrhundert besessen hatten, in ihren Besitz gekommen sein.
Unter Hamman hat das Hofgut wohl nur zu wirtschaftlichen Zwecken gedient. Das änderte sich aber unter seinem Sohn Justinian gründlich. Dieser, ein Freund der schönen Künste, sammelte hier einen lebendigen Kreis von humanistisch gebildeten Schöngeistern um sich. Einer von ihnen, der Rektor des Frankfurter Gymnasiums, Jakob Micyllus, schrieb, wie es der Sitte der damaligen Zeit entsprach, Hexameter in flüssigem Latein. In einem Gedicht seines Büchleins „Silvae“ (Wälder) feiert er seinen Gönner unter der Überschrift „In suburbanum Justiniani ab Holzhausen“ (Professor Dr. Franz Lerner, dem wir ein sehr lesenswertes Buch über die Geschichte der Familie von Holzhausen verdanken, übersetzt es mit „Auf Justinians Vorwerk“).
Aber die Tischrunde hat sich nicht nur wissenschaftlichen Gesprächen hingegeben. Sie hat auch, wie uns unser Dichter lachend verrät, hier gerne und ausgiebig gebechert. „Die Öd“ war dazu ein geradezu idealer Platz. Hier waren die gelehrten Herren ganz unter sich, engherzige, kleinbürgerliche Neider waren ferne genug in der Stadt. Auch Wein war reichlich vorhanden, sogar „Eigenbau“, denn zu der Öde gehörten einige Weinberge auf dem welligen Gelände des „Affensteines“ (des heutigen I.G.Hochhauses und seiner Umgebung).
Als aber Moritz von Sachsen die Stadt belagerte (1552), nahmen die ausgelassenen Feste ein jähes Ende. Die Öde ging in Flammen auf, auf dem uns erhaltenen Belagerungsplan ist ein überdimensional großer Rauchpilz zu sehen. Für den weinfrohen Justinian aber sollte es noch schlimmer kommen. Eines Tages wollte er, inzwischen mit wichtigen militärischen Aufgaben betraut, nach den Trümmern seines ausgebrannten Besitzes sehen. Dabei wäre er an der Friedberger Pforte fast einem Attentat von kaiserlicher Seite, die ihm offenbar mißtraute, zum Opfer gefallen. Vor der Klinge des Mörders retteten ihn entschlossene Frankfurter Bürger.
Nach der Belagerung ließ er das Gut wieder aufbauen, das Wohnhaus wurde erst 1571 von seinem Sohn Achilles neu erstellt. Im Dreißigjährigen Krieg, 1634, lagerten drei Kompanien französischer Söldner auf der Öde, zwei Jahre später bemächtigten sich die Kaiserlichen des festen Platzes. Die Franzosen „verwüsteten alles, Hof und steinernes Haus“, auch der Rat der Stadt ließ Zerstörungen an dem Gebäude und an den Gartenanlagen vornehmen, um fremdem Kriegsvolk den Aufenthalt zu verleiden. Auch diese Schäden wurden wieder behoben, doch hatte die Familie anscheinend das Interesse an ihrem Besitz verloren, 1663 jedenfalls wurde er für längere Zeit an eine Gerberei vermietet.
Eine Wende brachte erst das beginnende 18. Jahrhundert. Johann von Holzhausen, weit gereist, unternehmungslustig und tatkräftig, 1722 jüngerer, 1733 älterer Bürgermeister seiner Vaterstadt, entschloß sich zu einem modernen, aufwendigen Neubau. Betraut wurde damit ein Franzose, der sich auch in Deutschland bereits einen Namen gemacht hatte. 1722 überreichte der „Sieur de la Fosse“ dem „Baron de Holzhausen“ ehrerbietigst zehn Zeichnungen für den Wiederaufbau seines Hauses. 1727 bis 1729 ist dann nach seinen Plänen das Holzhausenschlößchen erbaut worden, ein an klassischen Vorbildern orientierter Bau im Stil des französischen Barock. Doch hat der kluge, weltläufige Herr Bürgermeister sich bei dem Bau übernommen? Jedenfalls zogen wieder fremde Mieter ein. Fünf Jahre (1743 bis 1748) hat der Fürst Thurn und Taxis dort gewohnt, 1790 der päpstliche Nuntius, erst im 19. Jahrhundert wurde es zum ständigen Wohnsitz der Familie des Erbauers.
Doch auch weniger honorige Gäste hat die „Öd“ im 18. Jahrhundert gesehen. Auf einen gerissenen Betrüger, einen „Goldmacher“, der versprach, durch geheimnisvollen Hokuspokus Gold in Mengen herbeizaubern zu können, sind auch Mitglieder der Familie Holzhausen hereingefallen. Bis heute liegt diese Affäre weitgehend im dunkeln, doch scheint soviel festzustehen: etwa ab 1715, also noch in dem alten, halbverfallenen Bau, „arbeitete“ unter geheimnisvollen Umständen in ländlicher Abgeschiedenheit und Verborgenheit der Herr „Baron“ Johann Christian Creutz von Würtz, ein weithin bekannter Alchimist. Wer ihn dorthin berufen hat, Johannes Hieronymus von Holzhausen oder —wahrscheinlicher — sein Bruder Justinian, ist nicht mehr auszumachen. Jedenfalls hat der geriebene Gauner die vermögenden Patrizier ganz gehörig geschröpft. Sie stellten ihm kostspielige Apparate, Retorten und andere Einrichtungen zur Verfügung, zahlten ihm in der Hoffnung auf überreichen Gewinn ein ansehnliches Gehalt, sie hatten sogar wahrscheinlich in dem geplanten Neubau Arbeitsräume für ihn vorgesehen. Ob sie ihn später durchschaut und mit Schimpf und Schande davongejagt haben, wissen wir nicht. Angezeigt haben sie ihn jedenfalls nicht, die Blamage wäre zu groß gewesen, ganz Frankfurt hätte schadenfroh gelacht.
Nur Justinian hat später einmal gegen Ende seines Lebens deprimiert bekannt, daß ihn der Betrüger fast in den Bankrott getrieben hätte. Doch dazu kam es nicht, der geschäftliche Sinn und der Wagemut des Kaufmannsgeschlechtes setzten sich wieder durch, auch das Schlößchen blieb der Familie erhalten. Im Erbgang gelangte es 1908 in den Besitz des Rittmeisters a.D. Freiherrn Adolf von Holzhausen (1866 —1923), des letzten seines Geschlechtes aus der älteren Linie. 1910 übernahm die Stadt von der Terraingesellschaft, die der Freiherr hauptsächlich zur baulichen Verwertung seines großen Landbesitzes gegründet hatte, das Schlößchen und ein ansehnliches Parkgelände. Nach dem Tode des Freiherrn, der es bis zuletzt bewohnt hatte, wurde es für viele Jahre Sitz des Bundesarchivs. Heute steht es dem „Museum für Vor- und Frühgeschichte“ zur Verfügung.
Die Erinnerung an das angesehene Patriziergeschlecht ist in Frankfurt noch vielfach lebendig. Außer dem Schlößchen und dem Park, dem „Oeder Weg“, der Holzhausen- und der Hammanstraße, um nur einige zu nennen, hält die Holzhausenschule bei Frankfurts Jugend das Andenken an die Familie wach, die einst zu den reichsten und mächtigsten der Freien Reichsstadt zählte.