Wie jeder Mensch mit ausgeprägter politischer Meinung hatte auch Justinian von Holzhausen Feinde. Seinen Zusammentoß mit dem streitbaren Hartmann Beyer, einem religiösen Eiferer und Meister der Dialektik, im Jahre 1550 können wir übergehen. Der lutherische Prediger war ein überzeugter Gegner der zurückhaltenden Politik des Rates, was drei Jahre später noch einmal zu scharfen Auseinandersetzungen mit den dafür maßgebenden Männern führte. Beyer sprach auch Justinian gegenüber nur aus, was alle gerade denkenden und unzureichend unterrichteten Mitbürger meinten.
Das Jahr 1552 brachte für den Frankfurter Rat und vornehmlich für Justinian härtere Prüfungen. Ihre Politik schien diesmal die Stadt und alle ihre Einwohner direkt ins Verderben zu führen. Im Bunde mit dem Franzosen versuchte Moritz von Sachsen noch einmal gegen Karl V. die Entscheidung zu erzwingen. In diesen Aufstand der Fürstenopposition fiel ausgerechnet Frankfurt eine ebenso bedeutende wie gefährliche Rolle zu. Der Besitz dieser wichtigen und bedeutenden Reichsstadt schien beiden Parteien - sehr gegen den Willen des auf Neutralität bedachten Rates - von großem Wert. Der Kaiser legte unter dem Befehl des Obersten von Hanstein eine recht schwache Besatzung in ihre Mauern und verlangte durch dessen Mund ihre Verstärkung durch die eigenen militärischen Kräfte der Stadt, durch ihre Bürger und die von ihr besoldeten Kriegsknechte. Die Anwerbung des städtischen Kriegsvolkes, seine Besoldung und Verpflegung sowie die Beschaffung des Kriegsmaterials überhaupt lag in den Händen von Justinian von Holzhausen, dem der Rat wohl in Erinnerung seiner früheren Kriegserfahrungen das Amt des Muster- und Zeugherren übertragen hatte. Das war für einen Mann seiner Einstellung gerade in diesem Falle eine recht undankbare Aufgabe. Die Gegner aber, Frankfurts ehemalige Verbündete, wollten sich an der abtrünnigen Reichsstadt rächen. Mit starken Kräften, vornehmlich sächsischen und brandenburgischen Kontingenten, begannen sie eine Belagerung, bei der sie auch schweres Geschütz verwandten. 22 Tage wogte der Kampf hin und her. Ein kaiserliches Entsatzheer war noch im Anmarsch. Bevor jedoch eine Entscheidung fiel, traf die Nachricht vom Passauer Vertrag ein, der Moritz den gewünschten politischen Erfolg brachte und den Weg zum Augsburger Religionsfrieden von 1555 frei machte. Frankfurt war mit knapper Not dem Ärgsten entgangen. Buchstäblich galt das auch für Justinian.
Unter dem 5. August 1552 vermerkte der Prädikant Melchior Ambach, ein sehr gewissenhafter Berichterstatter, wie die Nachprüfung seiner Angaben gelehrt hat, in seiner Chronik über die von ihm miterlebte Belagerung Frankfurts: „Desselbigen Tags hat des Obristen Schlüsselträger Justinian von Holzhausen, (den) obersten Hauptmann über die Bürger und Knechte der Herren (des Rates), an der Friedberger Pforten erstechen wollen, weil er auf seinen verbrannten Hof oder Öde gehen wollte; aber die Bürger und Herrenknechte haben den ehrbaren Herrn verteidigt und errettet. Die Kaiserlichen waren ihm, wie man sagt, feind, weil er anfänglich samt wenigen Anderen widerraten haben soll, die Kaiserlichen in die Stadt zu nehmen.“
Nach diesem Zeugnis war auch in jenen kritischen Tagen Justinian noch der Sache der Reformation treu geblieben und hatte seinen ganzen Einfluß aufgeboten, um die Stadt von der Parteinahme für Karl V. abzuhalten. Mit einer Minderheit hatte er den Konsequenzen der erst 5 Jahre zuvor mit so schweren finanziellen Opfern erkauften Rückkehr zur kaisertreuen Politik des Rates, wie sie der Tradition entsprach, widersprochen. Das sprach sehr für die Aufrichtigkeit seiner Überzeugungen, für sein unbedingtes Festhaltenwollen an der von seinem Vater vor Jahrzehnten eingeschlagenen Linie und an den Idealen seiner Jugend. Insofern gebührt ihm wie dem Vater Hamman der Ehrentitel eines Wegbereiters der Reformation. In Frankfurts Lage im Sommer 1552 glich eine solche Haltung jedoch fast dem Selbstmord und der Dolch von Hanstein‘s Diener war zumindest indirekt von ihr herausgefordert worden. Ob man angesichts dieser klaren Zusammenhänge von einem persönlichen Racheakt sprechen kann, wie das der Herausgeber von Ambach‘s Chronik tat, erscheint doch recht zweifelhaft. Justinian mußte den Kaiserlichen ein verhaßter Mann sein und nur die Anhänglichkeit der Mitbürger und Söldner hat ihn vor dem Attentäter gerettet.
Justinians wahre Freunde belagerten seine Vaterstadt und ließen die Gutshöfe ihrer Feldmark, um freies Schußfeld zu haben und die Verteidiger dieser Stützpunkte für Ausfälle zu berauben, in Flammen aufgehen. Diese Höfe gehörten durchweg den Patriziergeschlechtern. Sie waren seit Jahrhunderten der Mittelpunkt ihrer landwirtschaftlichen Eigenbetriebe und dienten daneben ihren Familien auch als Sommerwohnungen. Nie waren sie jedoch Landsitze im Sinne der Burgen des Adels gewesen. Dazu war die Lage dieser Höfe in der freien, offenen Feldmark viel zu gefährlich, wie sich ja auch nun bei der Belagerung von 1552 zeigte. Die Geschlechter lebten von jeher auf ihren städtischen Grundstücken, die teilweise in Frankfurt den Charakter der italienischen Stadtburgen hatten.
Die Öde, zu der der unerschrockene Justinian an jenem 8. August eilen wollte, war zudem kein alter Besitz der Holzhausen. Ursprünglich soll sie dem Geschlecht von der Öde gehört haben, das schon 1450 in Frankfurt ausgestorben ist. Die von der Odeme stammten aber aus Lüneburg und erhielten ihren Namen nach einem Dorf in der Nähe jener Stadt. Es gibt kein urkundliches Zeugnis, daß die spätere Holzhausen-Öde ihnen jemals gehört hat. Zudem gab es im Frankfurter Gebiet noch mehrere einsame Höfe, abseits der Straßen, die als Öden bezeichnet wurden. Die Stalburg und ebenso die Glauburg besaßen solche Vorwerke vor den Toren der Stadt, die darum die Stalburger oder Glauburger Öde genannt wurden. Wahrscheinlich hat also der Name nichts mit jenem Geschlecht zu tun.
Die Holzhausen-Öde hatte zuvor die Familie Lichtenstein besessen, wie schon aus Urkunden des 14. Jahrhunderts hervorgeht. Durch die Heirat von Johann von Holzhausen, genannt zum Lichtenstein, mit Kunigunde, der Erbtochter dieses Geschlechtes, ist sie spätestens bei ihrem Tode 1474 an die Familie von Holzhausen gekommen. Ihr Großneffe Hamman ist jedenfalls der erste Träger des Namens Holzhausen, der uns 1503 mit seiner Ehefrau als Besitzerin dieses Gutshofes im Norden der Stadt bezeugt ist. Von ihm hatte ihn Justinian geerbt und offenbar lieb gewonnen. Darum wollte er nun auch retten, was noch den Flammen entrissen werden könnte.
Der Rektor des Frankfurter Gymnasiums, Jakob Micyllus, war auch ein gewandter Dichter. Wie es sich für einen Humanisten gehörte, schrieb er einwandfreie Hexameter in klassischem Latein. In seinem Büchlein „Silvae“, Gedichten auf die Wälder, trägt eines die Überschrift „In suburbanum Justiniani ab Holzhausen“, die man wohl am besten mit „Auf Justinian‘s Vorwerk“ übersetzen wird. Classen hat uns diese Verse in seiner Verdeutschung überliefert:
„Seht dies gastliche Haus, ringsum das Wasser der Quelle,
Und in friedlicher Ruh Wiesen und Waldung umher,
Alles zumal ist den Musen geweiht und dem fröhlichen Bacchus.
Denn hier herrscht zumeist Freude an Wein und Gesang.
Fern drum bleibe dem Ort, wen ein heiteres Lied nicht erfreuet,
Und wer die Lippe nicht gern netzet mit lieblichem Wein!
Also will‘s das Gesetz des gebietenden Justinianus,
Welcher mit sorgendem Sinn neu diese Halle erbaut.“
In dem alten, von diesem Wassergraben umgebenen Gutshof haben also die Freunde der Antike damals nach dem Vorbild ihrer Ideale frohe Feste gefeiert und eifrig pokuliert. Dort konnte man sich ungestörter als im Bereich der Stadt, wo die Nachbarn in die Gärten hineinblickten, dem eigenen Geschmack hingeben. Das wurde ebenso geschätzt wie der gute Wein, den Justinian seinen Gästen kredenzen ließ. Daran war kein Mangel, denn zur Öde gehörten einige Weinberge im Gelände des späteren Affensteins, eines Bildstockes, an dem man einst ein Ava Maria sprach. Heute erhebt sich dort Pölzig‘s großer Verwaltungsbau für die auch schon wieder untergegangene IG.-Farben-Industrie AG. Damals aber war dieser leicht ansteigende Südhang gar keine schlechte Lage für einen Tropfen Eigenbau, den Männer vom Schlage Justinians und seiner Freunde durchaus zu schätzen wußten.
Sofort nach dem Abzug der Belagerer ließ Justinian seinen Gutshof wieder herrichten, wozu ihn überdies die Rücksicht auf seine Landwirtschaft nötigte. Das Wohnhaus hat erst 1571 sein Sohn Achilles neu aufgeführt, wie eine noch heute vorhandene, aber völlig verdorbene Inschrifttafel aus jenem Jahr besagt. Nach dem im Familienarchiv erhaltenen Text berichtet sie, daß dass Gut vom Geschlechte derer von der Öde auf dem Wege der Nachfolge an die Familie Holzhausen gekommen sei. 1540 habe Justinian I. das Gebäude aufgestockt und ausgebaut. Den Spuren des Vaters folgend ließ es Achilles wieder erstellen und befahl es in den Schutz des Erlösers.
Schon Justinian aber war auch auf die Regelung aller mit diesem Besitz zusammenhängenden Rechtsverhältnisse bedacht. Drum hinterließ er seinen Erben eine eigenhändige Aufzeichnung mit der Überschrift „Odenstein“, die von einer besonderen öffentlich-rechtlichen Verpflichtung seiner Besitzer Kunde gab: „Zu wissen, daß dieses Gut, so von altersher die große Öde genannt worden (ist), der Steinstock mit seinem Zubehör, wie der vor Zeiten gebaut worden (ist) und in künftigen Tagen gebaut wird, samt seinen Gräben, Zeunen, Hecken, Äckern, Wiesen und anderem Zubehör, vor vielen Jahren und zuletzt von Hamman von Holzhausen, meinen seligen Vater, einem Ehrbaren Rate allhier der Stadt Frankfurt gegenüber verschrieben, verbunden und verpflichtet (worden) ist, dies (alles) an keinen Fremden, er sei denn ein Bürger (der Stadt), zu veräußern, zu verkaufen (oder) zu verpfänden auf keinerlei Weise laut der alten und neuen Verschreibungen bei Verlust des Hofes und allem seinem Zubehör an einen Ehrbaren Rat, der ihn also (= dann) ohne jede (rechtliche) Verhinderung einnehmen mag. Und sind die Verschreibungen bei meinen Herren (vom Rate) hinterlegt.“ Von 3 Urkunden dieser Art aus den Jahren 1398, 1419 und 1503 wußte Justinian. Zweck dieser Beschränkung in der Verfügung war natürlich der Schutz der Stadt gegen eine Niederlassung von ihr nicht durch den Bürgerreid zur Treue Verpflichteten unmittelbar vor ihren Toren. Im übrigen läßt sich auch aus dieser Erklärung sehr leicht erkennen, daß die Anlagen des Gutes, insbesondere seine Zäune, Hecken und Gräben, ein Teil ihrer vordersten Verteidigungslinien im Sinne des Systems der Landwehren und Warten waren. Darum schon lag es für einen Angreifer durchaus im Zuge der unumgänglichen Maßnahmen zur Bereinigung des Vorfeldes, daß er bei einer Belagerung der Stadt diese Gutshöfe zerstörte. Insofern mußte Justinian 1552 mit diesem Schaden rechnen.
Auf dem Besitz der Familie lagen auch noch andere Verpflichtungen. 1562 hat sich Justinians Witwe mit dem Liebfrauenstift über einen Naturalzins verständigt, der diesem 1393 von Heinrich von der Öde in Verbindung mit einer Stiftung von Katharina Wanebach verbrieft worden war. Das belastete Gelände lag aber nur zum Teil in der Nähe der Öde. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir annehmen, daß Justinian die Öde zu einer Art Stammgut der Familie bestimmt hat. Sie ist jedenfalls seitdem stets in direkter Linie vererbt worden.
Er selbst hat ihre Zerstörung kaum überlebt. Im September 1553, knapp ein Jahr nach dem mißglückten Attentat, ist er noch nicht 51 Jahre alt gestorben. Dennoch war der Weg, den sein Vater Hamman bewußt beschritten hatte, von ihm konsequent weiterverfolgt und trotz aller Rückschläge damit für die Vaterstadt gesichert worden. Was Hamman mit den Mitteln des Staatsmannes angebahnt, das durfte sein militärisch-gradliniger veranlagter Sohn im gewissen Sinne vollenden, wenn er auch zeitlebens die geschmeidige Politik der Frankfurter Tradition nur widerstrebend mitgemacht haben mag. Das Ziel haben Vater und Sohn nie aus den Augen verloren und jeder auf seine Art erreicht: Frankfurt war lutherisch geworden.
„Nachdem ich Johann Hieronymus von Holzhausen durch Gottes Gnaden über die sechzig Jahre erlangt habe und nicht wissen kann, wie bald sich mein Sterbestündlein möchte herbeinahen, indem (ich) spüre, daß die Kräfte nach und nach abnehmen, so habe ich mich entschlossen, meinem lieben Sohn Justinian bei meinem Leben noch die Familien-Rechnung zu übergeben. Weilen nun befunden (wird) daß (ich) wohl ein paar Tausend Gulden ohne das Korn schuldig geblieben (bin), so wird auch dabei zu considerieren sein, auch mein vielgeliebter Bruder Justinian wohl wissend (sein), daß (ich) die Öde wegen Baufälligkeit ganz neu (habe) aufbauen müssen, zudem kurz darauf des Hofmannes Haus auch aus Baufälligkeit, indem ein starker Wind es leichtlich (hätte) über den Haufen werfen können, also auch von Grund auf wieder aufgebaut und vergrößert. Weiter haben mich meine Kinder auf Universitäten und Reisen viel gekostet, besonders wie (ich) meine 3 ältesten Söhne nebst einem Hofmeister nach Frankreich geschickt (habe). Von dem Meinigen (habe ich) es aber unmöglich bestreiten können. Also habe (ich) nolens volens diesen Vorrat - das Familien-Vermögen - angreifen müssen und zweifle keineswegs, daß von jemand (mir) einiger Disput in den Weg gelegt werden . . .“ Diese Sätze wurden am 30. Mai 1736 niedergeschrieben. Schon am 1. August des gleichen Jahres wurde der 62jährige abberufen. Er hatte bereits 1734 einen Blutsturz gehabt und sich wohl seitdem nicht mehr erholt. Am 4. August 1736 wurden seine sterblichen Überreste in dem Erbbegräbnis seiner Familie in der Weißfrauenkirche beigesetzt. Die Leichenpredigt hielt ihm Johann Georg Schleiffer.
Johann Hieronymus aber hatte sich und seinem Geschlecht in der Vaterstadt ein bleibendes Denkmal errichtet. Das von ihm verbaute Kapital war trefflich angelegt worden. Das Wasserschlößchen in der Ode - 1952 völlig wieder hergestellt - gereicht heute noch Frankfurt zur Zierde. Es ist einer der wenigen Barockbauten in dieser Stadt, in der noch Jahrzehnte später gotische Stilformen beibehalten wurden, wie das Goethehaus am Großen Hirschgraben und manch anderes bürgerliches Bauwerk jener Zeit bewiesen. Dabei war die Neugestaltung der Holzhausen-Öde 1727 beileibe kein Prunkbau, jedoch in ihren einfachen, fein proportionierten Formen ein Beispiel für die Klarheit und Sachlichkeit des an klassischen Vorbildern geschulten französischen Barocks. Es ist in seiner Art eines der reizvollsten Baudenkmäler dieser Epoche auf deutschem Boden. Hans Thoma hat in einem seiner stärksten, farbig sehr frischen Gemälde die Impression dieses Wasserschlößchens wiedergegeben. Johann Hieronymus hat vielleicht nicht ahnen können, wie die Nachwelt einmal diesen seinen Entschluß beurteilen würde. Er ist nur seinem Geschmack gefolgt und der war unzweifelhaft gut und sicher.
Was er 1709 nach dem Tode seines älteren Bruders Johann Adolph mit dem übrigen Familienerbe übernahm, war sicherlich sehr heruntergekommen. Denn schon der Großvater, Johann Hector, hatte 1663 die Öde den Handelsleuten Scheidemann und Brachmann verpachtet, um dort eine Rotgerberei einzurichten. Nach seinem Tode war der Kontrakt verlängert worden. Wo aber einmal ein solcher Betrieb jahrzehntelang, dazu in einem schon über 100 Jahre alten Bauwerk sich ungehindert entfalten darf, da bleiben schwere Schäden nicht aus. Den Gerbern war der Wassergraben hochwillkommen, doch sie wußten sehr wohl, warum sie eine so weit von der Stadt abgelegene Arbeitsstätte wählten, und der damit verbundene Geruch verscheuchte die letzten Reste der Wohnlichkeit aus dem alten Gemäuer.
Auf einem fast 2 qm großen Olbild hat uns ein Unbekannter eine topographisch genaue und darum perspektivisch verzerrte Vorstellung von dem alten Wasserhaus, wie es Achilles 1571 errichten ließ, und dem gesamten Gelände der Ode in der Zeit um 1700 geschaffen. Von Norden, von der Höhe des alten Marbachweges etwa, blickt man über Wiesen und Äcker auf die Stadt, die am oberen Bildrande unter einem lichtblauen Himmel mit starkem Wolkenzug von Südwest, der für Frankfurt vorherrschenden Windrichtung, mit all ihren Türmen, Festungswällen und Bauten bis hin zur Sachsenhäuser Warte auf den Höhen jenseits des Mains deutlich zu erkennen ist. Unter einer Baumgruppe erblickt man rechts im Vorder-grunde die zum Brunnen gefaßte Quelle. Im Schatten übt ein Cellist auf seinem Instrument. Links von ihm führen zwei Herren ein angeregtes Gespräch. Durch ein Baumstück nähern sich zwei weitere Fußgänger dieser Gruppe. Die angrenzende Wiese ist umzäunt und ihr Tor öffnet gerade ein Diener, um einen Reiter in rotem Kleid, der sich durch Pistolenschüsse ankündigt, einzulassen. Die Boten der Reichsstadt Frankfurt trugen von jeher rote Röcke. Es ist also eine amtliche Botschaft, die dem Hausherrn überbracht wird, womit wohl sein Rang angedeutet werden soll. Vielleicht ist das Bild 1697 gemalt worden, als der jüngere Johann Hector zum zweiten Male das Bürgermeisteramt versah? Auf unserem Bilde sieht man auf der Wiese sechs Rinder und zwei Kälber grasen; das ist wohl der genaue Viehbestand des Hofmannes (Pächters), dessen Wohnhaus und Scheuer links im Mittelgrund abgebildet sind. Die Mitte des großen Gemäldes aber nimmt das Wasserhaus ein, die eigentliche Öde. Es ist ein dreigeschossiger, massiver Turmbau mit einem anstoßenden, durch drei Fenster gegliederten Gebäude, das vielleicht einen Saal enthalten könnte, und einem Ecktürmchen. Vom Wassergraben umgeben macht die ganze Baugruppe mehr den Eindruck eines ausgebauten Bollwerkes für einen vorgeschobenen Posten als den eines Sommerhauses einer wohlhabenden Familie. Nach rechts, wo sich die Acker und Weinberge dehnen, reicht der Blick bis zur Galgenwarte und zeigt die Höfe vor Frankfurts Toren im Westen der Stadt. Alle Einzelheiten in diesem staffageartigen Aufbau des Bildes entsprechen genau den alten Rissen und Plänen, die die Steinbücher und andere Akten des Familienarchives enthalten. Vermutlich hat der Maler jeden Baum und Stein gewissenhaft nach der Natur wiedergegeben und damit zwar keinen künstlerisch-ästhetischen, wohl aber einen übersichtlich-klaren Eindruck von dem Gesamtbesitz gegeben, der den Möglichkeiten moderner Farbenphotographie weit überlegen ist und eines gewissen dekorativen Reizes nicht entbehrt.
Ein Landgut ist aber wohl zu keiner Zeit von seinem Besitzer als reines Dekorationsstück gewürdigt worden. Um sich daran zu erfreuen, mußten seine Gebäude in ordentlichem Stande sein, dann waren auch höhere Einnahmen zu erzielen. Vor dieser Aufgabe sah sich Johann Hieronymus. Zwanzig Jahre zuvor hatte er auf seiner Reise durch Nordfrankreich und wohl auch in der Umgebung von Paris sicher manches neuerbaute Schloß gesehen. Und der Stil des Hofes von Versailles, so wie ihn Ludwig XIV. damals zelebrierte war tonangebend für ganz Europa, insbesondere auch im Bauwesen. Seitdem Johann Hieronymus Kompaniechef im Regiment des Prinzen Wilhelm geworden war, hatte er auch Beziehungen zu dem hessischen Fürstenhaus. In Darmstadt war soeben, 1719, die Orangerie in engster Anlehnung an französische Vorbilder erbaut worden. H. Mansart‘s Grand-Trianon hatte dem entwerfenden Architekten vorgeschwebt und seinen Bau zu einer völlig abgeklärten Leistung ausreifen lassen. Sicher wurde sie auch im nahen Frankfurt beachtet und diskutiert.
Louis Remy de la Fosse hieß der Ingenieurmajor und Oberbaumeister des Landgrafen Ernst Ludwig in Darmstadt. Bevor dieser begabte Mann Ende 1714 dorthin berufen worden war, hatte er seit 1706 in Hannover als Hofarchitekt gewirkt. Für den Landgrafen in Kassel hatte er 1709/10 einen allerdings nicht ausgeführten Entwurf für das spätere Schloß Wilhelmshöhe geliefert. Im folgenden Jahre gab er in Darmstadt mit dem Umbau des Reithauses zur Oper eine Probe seines Könnens. Er war ein sehr vielseitiger Mann, denn er übernahm dann für den Landgrafen Ernst Ludwig seit 1715 die Ausführung aller Bauten ziviler wie militärischer Art und dazu die Wasserbauten auf der hessischen Mittelrheinstrecke. Sein Hauptwerk sollte der Neubau des Darmstädter Residenzsdslosses werden. Auch die hübschen Jagdschlösser Wolfsgarten und Wiesenthal - dieses ist nicht mehr erhalten - sind 1723 und 1725 nach seinen Entwürfen entstanden. Im Winter 1718/19 war de la Fosse noch einmal in seiner französischen Heimat gewesen. Ein guter Fünfziger auf der Höhe seines Könnens durfte er weit und breit im Raume Frankfurts als der modernste Architekt gelten. Sein Stil zeigt einen streng rationalistischen Zug und ist nicht frei von Anklängen an die weicheren Formen des italienischen und süddeutschen Barocks. Das aber ergab eine sehr geschmackvolle und klare Eigenart.
1722 hat der Sieur de la Fosse dem Baron de Holzhausen 10 Zeichnungen für den Wiederaufbau seines Landhauses auf den alten Fundamenten geliefert. Genau nach diesen Plänen ist 1727-29 das Wasserschlößchen errichtet worden, obwohl der Architekt schon ein Jahr vor dem Baubeginn als Sechziger in Darmstadt verstorben war. Außer der Küche im Kellergeschoß sah sein Entwurf nur drei heizbare Räume vor. In den sieben Schlafgemächern des Hauses fanden nur ebensoviel Betten, von denen drei für Bediente bestimmt waren, Platz. Bis zum Belvedere, dem in Frankfurt so beliebten Aussichtszimmer auf dem Dache, war das ganze Schlößchen durchaus als Sommerwohnung für eine kleine Familie gedacht.
Als Senior seines Geschlechtes hat Johann Hieronymus 1727, wie das Chronostichon verrät, den Grundstein für den Wiederaufbau gelegt. Am fertigen Bauwerk wurde neben der Tafel Achill‘s von 1571 eine zweite Inschriftplatte angebracht, die noch einmal die Geschichte der Öde wiederholte und neu hinzufügte, daß das Gebäude „für einen besseren Gebrauch“ bestimmt worden sei.
Der Neubau mit der Brücke kostete insgesamt 4995 fl (Florin) 19 kr (Kreuzer). Dazu kamen 1731/32 für das neue »Hofhaus auf der Ode« weitere 1323 fl 25 kr., so daß Johann Hieronymus über 6300 Gulden verbaut hat. Weitere 2790 fl mußte sein Sohn Justinian 1739-1744 aufwenden, um eine neue Scheuer, Stallungen, Kutschen-Remise und Keller zu erstellen. Das sind die Aufwendungen, die den Erbauer kurz vor seinem Tode so bedrückt haben, daß er glaubte, sie vor den Nachkommen und dem jüngeren Bruder rechtfertigen zu müssen.
Vielleicht war das auch der Hauptgrund, der seine Erben veranlaßte, „das Schlößchen, so genannte Ode“ von 1743 bis 1748 für jährlich 750 fi dem Fürsten Thurn und Taxis, der als Generalpostmeister des Reiches in Frankfurt residierte, zu vermieten. 1757-59 hat dann ein Graf de Loeme auf der Ode gewohnt. Während der Krönung Leopolds II. mietete schließlich im Jahre 1790 der päpstliche Nuntius Graf Caprara für 12 Wochen das Wasserscihlößchen. Damals mußten fast zwei Drittel der vereinbarten Miete aufgewandt werden, um es bewohnbar zu machen. Erst im 19. Jahrhundert, als Frankfurts Befestigungen gefallen waren und die Stadt sich auszudehnen begann, wurde es zum dauernden Wohnsitz der Familie, um dann schließlich 1923 durch Vermächtnis der Stadt Frankfurt zuzufallen. Daß einmal in seinem Neubau ein bedeutendes historisches Archiv und Museumsleute mit ihren Schätzen Einzug halten würden, daran hat Johann Hieronymus bestimmt nicht gedacht.
Ein gutes Jahrzehnt hatte der Bauherr als Offizier unter fremden Fahnen gedient, als Soldat und Ratsherr war er dann nicht minder gewissenhaft viele Jahre für die Vaterstadt tätig. Zeitlebens blieb er nicht nur dem Namen nach »der Kapitän«, sondern auch ein treuer, fürsorglicher Kompaniechef bis zur letzten Rechenschaft.
Im Protokoll des Frankfurter Sanitätsamtes vom 8. August 1755 wurde der Fall eines betrügerischen Quacksalbers eingehend behandelt. In ihrem Gutachten zu dieser Sache hielten die Stadtärzte auch ein handgreifliches Beispiel für angebracht: »Was für Schaden dergleichen Betrüger tun, habe hiesige Stadt vor der Zeit, da der berufene Baron von Creutz zu Homburg vor der Höhe gelebet, bey dem großen Unglück sovieler ihrer Bürger und Schutzverwandten, welche durch ihn teils zu ihrem völligen Ruin und an den Bettelstab gebracht worden, betroffen, noch in traurigem Andenken, daß man solchem nach hohe Ursache habe, alle dergleichen Goldmacher und Universal-Arznei-Krämer als eine Pest des Publici zu detestieren.« Sie forderten darum Schutz gegen diese Leute durch den Rat, „damit das mundus vult decipi (die Welt will betrogen sein) oder in Hochdeutsch, wie es des letzt verstorbenen Herrn Landgrafen von Hessen-Darmstadt hochfürstliche Durchlaucht auszulegen geruhet: große Herren wollen bedient sein, allhier wenigstens sein Ziel nicht erreiche.“ Die üblen Erfahrungen der Frankfurter mit dem Baron Creutz, an die man 1755 erinnerte, lagen damals mehr als drei Jahrzehnte zurück. Nichts konnte wohl besser veranschaulichen, wie sehr dieser Mann die Gemüter in Wallung gebracht hat. Er war jedenfalls kein alltäglicher Betrüger.
In einem Werke des Hamburger Alchimisten Söldner wird von einem Laboratorium „links am Wege Homburg-Frankfurt« gesprochen. Noch deutlicher sind die Angaben einer alten Genealogie, daß Johann Christian von Würth zu Mackau seit 1715 auf dem »Gerberhof vor dem Eschenheimer Tor in Frankfurt und später auf der Holzhauser Öde ebendaselbst« gewohnt habe. Das ist natürlich ein Pleonasmus, denn wir wissen ja, daß die Öde seit 1663 an eine Gerberei verpachtet war. Wer diesen merkwürdigen Mann, der damals erst Mitte der Dreißig war, hier aufgenommen hat, ist unbekannt. Die Öde gehörte Justinian‘s älterem Bruder Johann Hieronymus, der ihm stets sehr zugetan war. Ob beide zusammen auf diesem für solche Zwecke so günstig abseits gelegenen Hof eine Arbeitsstätte für den Alchimisten eingerichtet und dann wohl auch finanziert haben, muß offen bleiben. Auffällig ist jedenfalls, daß der Architekt de la Fosse 1722 in seinem Entwurf für das Wasserschlößchen im Rez-de-Chaussee, dem Erdgeschoß, zwei Kammern für die Medizin neben einem Speisezimmer und einer Dienerstube vorsah. Das muß jedenfalls Johann Hieronymus so verlangt haben. Er war jedoch kein Mediziner und keinerlei Anzeichen sprechen für solche Interessen bei ihm oder Justinian. Dann aber ist das Wort Medizin wohl nur eine Umschreibung für andere Laboratorien. Eine Alchimistische Handschrift gab es ebenfalls in der Familienbibliothek, wie wir schon bei Arnold dem Dicken gesehen haben. So gibt es mancherlei Anhaltspunkte für derartige Unternehmungen, aber keine Gewißheiten. Das darf man auch bei solchen Absichten nicht erwarten. Dafür liebten Leute dieser Art viel zu sehr das Halbdunkel. Wenn solche Dinge aktenkundig wurden, stand es gewöhnlich sehr übel um sie.
Der Herr von Würth ist mit dem Baron Creutz identisch. 1720 hatte er Frankfurt nach den Mitteilungen jener Quellen bereits wieder verlassen und sein Quartier zunächst nach Homburg verlegt. Ein 1725 vor dem Reichskammergericht in Wetzlar anhängiger Prozeß Gabler/Ochs, Rindskopf, Levi und Konsorten bestätigt dies insofern, als in seiner Klageschrift behauptet wird, daß ein Baron Löwenstein 1721 nach Frankfurt gekommen sei und die Beklagten mit ihm das gleiche Spiel „als mit seinem Herrn Vettern, Baron von Creutz, trieben, kurze Termine setzten, bei der Verfallzeit auf die Zahlung drangen, bei der gesuchten Prolongation den Wucher steigerten und ohne Indossanten nichts länger stehen lassen, viel weniger etwas geben wollten. . .“. Es handelte sich also um Wechselreiterei. Die Ursache dieser Geldgeschäfte, bei denen die Zinsen von 12% bis auf 18% gesteigert wurden, wird in der Prozeßschrift auch angedeutet. „Als nun wohlgedachter Herr Baron (Creutz) nach und nach einige kostbare Werke entrepreniert (hat), so wöchentlich namhafte Summen Geldes erfordert, die für ihn einlaufenden Wechsel und Gelder aber vornehmlich von Messe zu Messe angekommen und die ordentlichen Einnahmen alle Kosten bis zur Messe jedesmal zu bestreiten nicht hinreichen wollten, hat man bei damals gehabtem gutem Kredit bei christlichen Rentnern und Kapitalisten zu Frankfurt einige tausend Gulden auf des Herrn Barons Wechselbriefe . . . negotieret.“ Diese Geldgeschäfte begannen nach jener Klageschrift schon vor 1718 und einer dieser Kapitalisten war Justinian, der nicht nur aus seinem eigenen Vermögen erhebliche Darlehen gab, sondern auch die ihm anvertrauten Gelder der Verwandten seiner Frau daran beteiligte.
Am Schlusse seiner Jahresrechnung 1737 - also 20 Jahre nach dem vermutlichen Beginn der Geschäfte - schrieb Justinian in sein Einnahmen- und Ausgabenbuch unter der Überschrift „Zum ewigen Gedenken“: „Weil es dem lieben Gott gefallen, aus gerechten Ursachen und zwar darunter sonderlich mich geraten zu lassen, daß ich mein Vertrauen mehr auf Menschen dann auf dessen gnädige Barmherzigkeit gesetzt (habe), also ist es geschehen, daß mir mein Verstand verfinstert und ich dadurch an solche bösen Leute geraten (bin), welche mich unter vielen scheinbaren Überredungen, als daß ich Land und Leuten, die hart bedrängt (seien), große Dienste tun könnte, wenn ich neben dem einen oder anderen für mich unschädlichen Vorschuß auch meinen Kredit engagieren (würde), dahin gebracht, daß ich aus bloßer aufrichtiger Liebe zu meinem Nächsten und, wie Gott bekannt ist, keineswegs aus einer anderen Absicht solchen Verdruß erlitten (habe), daß, wenn Gott seine Gnadenhand nicht sonderlich über mich gehalten (hätte), ich um Ehre und Gut gekommen (wäre) und mithin gar leichtlich an (den) Bettelstab (hätte) geraten können.“ Diese bewegte Selbstanklage und Entschuldigung spricht wohl für sich.
Einigen „dievaliers d‘industrie,“ Industrierittern, sei er in die Hände gefallen, gesteht Justinian 1737 weiter, um daran die Bemerkung zu knüpfen, daß er nicht nur materielle Verluste erlitten, sondern daß ihn die „ungemein harte Pression“, der Druck der finanziellen Sorgen, im letzten Jahrzehnt beinahe das Leben gekostet habe.
Hessen-darmstädtischer Oberbergrat war der bewußte Herr Johann Christian Creutz von Würth - Justinian schreibt immer „Würtz“ - zu Mackau. Außer dem wohlklingenden Namen und dem hohen Titel hatte er noch mancherlei andere Vorzüge. Er war ein Alchimist von hohen Graden und ein Projektenmacher erster Ordnung. So brachte er die „kostbaren Werke“ in Gang, worunter wir wohl kostspielige Laboratoriumseinrichtungen und nicht minder hohe Ausgaben für seinen eigenen Lebensunterhalt zu verstehen haben. Als Ziel seiner Künste aber gaukelte er den Geldgebern, dem Landgrafen in Darmstadt sowohl wie Justinian und anderen Frankfurtern, die Einrichtung gewinnbringender Industrien zum Segen des Landes vor, wobei er den Kapitalisten die Geldhergabe durch die zu erwartende hohe Rendite besonders schmackhaft zu machen verstand. Das ist der Typ des Industrieritters im großen Stil, wie er zu Beginn des 18. Jahrhunderts mehrfach auftrat und allenthalben schweren Schaden angerichtet hat. Um die gleiche Zeit (1716-1720) hat ja in Paris der Schotte John Law das große Aktienprojekt der Erschließung der Länder am Mississippi mit solchem Erfolg betrieben, daß eine Papiergeldinflation zum völligen Zusammenbruch des grandiosen Kartenhauses führte. Hier wie dort war die Voraussetzung der ganzen Spekulation eine Fiktion - es gab am Mississippi trotz einiger Silberfunde ebensowenig Erzfelder großen Ausmaßes wie Leute vom Schlage des Baron Creutz Gold machen konnten. Aber die Gewinnchancen waren so verlockend, das Geldbedürfnis so groß, daß die Kapitalisten den Betrügern förmlich ihr Geld aufdrängten - und die wenigsten von ihnen taten es aus so edlen Absichten, wie sie Justinian von Holzhausen für sich in Anspruch nimmt.
32 193 fl 54 kr. hatte nach unseren Berechnungen Justinian von Creutz aus 28 verschiedenen Geschäften, die alle fein säuberlich in seinem Hauptbuch verzeichnet stehen, Ende des Jahres 1730 noch zu bekommen. Das war ein erkleckliches Sümmchen und doch noch lange nicht das gesamte Risiko. Mit dem Baron war das Geschäftemachen gar nicht so einfach, da er sich offenbar auf tausend Finessen und Schliche verstand. Als der Landgraf von Hessen-Darmstadt, der die Wechsel von Creutz akzeptiert hatte, endlich am 1. Oktober 1729 eine Teilzahlung von 10 500 Gulden leistete, ging der Betrag durch die Hände des Barons und so blieben 1500 fl darin zurück, die er unter einem neuen Vorwand pumpte, und dann vergaß er auch noch, einen Wechsel für diese Schuld auszustellen. Ein Jahr darauf ließ er einem anderen Gläubiger, dem gegenüber Justinian wohl Bürgschaft geleistet hatte, statt dem fälligen Geldbetrag ein Kästchen mit holländischen Tulpenzwiebeln zugehen. Justinian mußte den Gegenwert von 128 hfl einlösen und durfte obendrein noch das hohe Porto der Sendung tragen. Mit Tulpenzwiebeln sind übrigens damals ebenfalls grandiose Spekulationsgeschäfte getrieben worden. Creutz scheint also auch von dieser Verdienstmöglidikeit Kenntnis gehabt zu haben.
Seit der Herbstmesse 1728 kam Creutz seinen Verpflichtungen gegenüber Justsnian nicht mehr pünktlich nach. 1732 ist er überschuldet gestorben. Über 2000 fl hat der Herr von Holzhausen schließlich direkt an ihm verloren, und man versteht darum, daß er in sein Gültbuch zu dieser Buchung den Vermerk setzte: „Würtz ist der böse Mann, welcher unter nicht glaublichen Intriguen mich also hinter das Licht geführet, daß, ungeachtet ich ihm viele Liebe und Treue erwiesen, er mich zum Dank, wo es ihm möglich gewesen (wäre), um Leib, Seele, Ehre, Hab und Gut (gebracht) haben würde.“
Justinians Hauptschwierigkeiten ergaben sich aber daraus, daß er für Creutz fremde Gelder aufgenommen hatte und weitere Schulden machen mußte, um die Zins- und Rückzahlungs-Verpflichtungen auch dann zu erfüllen, als ihn seit 1730 vollends der Baron und sein Auftraggeber, der Landgraf Ernst Ludwig, mit der Einlösung ihrer Wechselfälligkeiten im Stich ließen. Seit 1728 mußte er selbst 5-6% Zinsen zahlen, Sicherheiten verpfänden und „douceurs“ an Vermittler, also Provisionen, gewähren. Bei 99% Auszahlung, die man ihm jetzt nur noch einräumte, ergaben sich Jahreszinssätze von rund 10%. Johann Jost Lindheimer verlangte im April 1729 für die Hergabe von 22 500 fl die Sicherungsübereignung des Hellerhofes mit fast 900 Morgen Gelände in Form eines Rückkaufvertrages.
Insgesamt war Justinian im Herbst 1730 bei 32 Gläubigern mit 110 200 Gulden Kapital verschuldet und hatte dafür jährlich allein an Zinsen 8215 fi aufzubringen. In den Aufregungen über diese wachsende Schuldenlast ist die Buchführung Justinians reichlich durcheinander geraten. Vor allem hat er offenbar nicht alle seine Forderungen verbucht oder darüber eine in Verlust geratene Sonderaufzeichnung geführt. Die noch vorhandenen Rechnungen sind sämtlich nicht abgeschlossen, so daß ein tatsächlicher Status nicht errechnet werden kann. Justinian hat selbst wiederholt versucht, sich eine Übersicht zu verschaffen, dann aber immer wieder entmutigt die begonnenen Aufstellungen unvollständig liegen lassen. Dafür hat er aber mehrfach in seinen Büchern betont, daß er alle Schulden und Risiken einzig und allein um des Baron Creutz willen auf sich geladen habe, und daß ihm keinerlei Vorteil daraus erwachsen sei. Den tatsächlichen Umfang der Geschäfte läßt eine einzige Eintragung erkennen, in der es sich um ein mit Diamanten besetztes Portrait des Kaisers handelt, das Creutz für 3000 fl an Justinian verpfändet hat. Er wollte es vom Reichshofrat Graf von Kufstein erhalten haben. Die Herkunft dieses Wertobjektes scheint ebenso dunkel gewesen zu sein wie der Herr, der es versetzte. In diesem Zusammenhang spricht aber Justinian von 70 647 Reichstalern in fürstlich hessen-darmstädtischen Wechselbriefen. Danach hätten allein diese Forderungen in Gulden den Betrag von rund 106 000 ergeben, was ungefähr seiner eigenen Verschuldung entsprach.
Nur schrittweise gelang es Justinian, seine Verpflichtungen abzutragen. Bei seinem Tode hinterließ er den Erben einen Plan, der die völlige Tilgung seiner Schulden in 20 Jahren vorsah. Das Darlehen an den Landgrafen von Hessen-Darmstadt zog sich noch länger hinaus. Im Falle Bernus kam der Vergleich erst 1778 mit der Regierung in Darmstadt zustande. Er brachte den Gläubigern des Bankhauses eine Quote von 28%. Auch an diesem Verlustgeschäft hatte Justinian seine Erben mit einem Anteil von 9000 fl beteiligt. Er hatte sich wirklich mit dem Baron Creutz mehr als ein Kreuz aufgeladen.
Dabei muß er seinem ganzen Wesen nach ein jovialer, gutmütiger Mann ohne jede Prätention gewesen sein. Vielleicht war er ein grundgütiger und in seiner Gradheit zu redlicher Mann, um die Betrügereien des Alchimisten, Goldmachers und Fürstenratgebers beizeiten zu durchschauen. Auf diesen Gedanken bringt den Beschauer das Porträt, das ein Unbekannter um 1745 nicht ohne Qualitäten und technisch durchaus gekonnt von ihm gemalt hat. Vor dunkelbraunem Hintergrund sitzt von dunklem Purpur umwallt ein offenbar wohlbeleibter Herr. Er trägt einen matt-dunkelblauen Frack mit Goldknöpfen über einer braun-grün gemusterten Weste mit weißer Halsbinde. Die Hände sind verdeckt. Das Gesicht umrahmt eine weiße, einfache Allongeperücke. Es ist breit und voll. Wieder fällt wie bei seinen Vorfahren die starke Nase auf. Ein breiter Mund, blaue Augen und eine hohe Stirn sind von einem leichten Lächeln überzogen. Von dem ganzen Bild strahlt eine gewisse Freundlichkeit aus, zu der Pedanterie, wie sie sein vieles, hinterlassenes Schreibwerk vermuten läßt, nicht zu passen scheint.
Ebensowenig paßt zu diesem im Grunde sympathischen Manne das Pendant mit dem Bildnis seiner zweiten Gattin Anna Sybilla, die 1746 als die letzte ihres Geschlechtes gestorben ist. Dies Porträt ist dadurch auffällig, daß es ganz ungeschminkt eine keineswegs schöne Dame vorgerückten Alters in zwar pompöser Drapierung aber mit einem nicht zu übersehenden herrschsüchtigen Gesichtsausdruck darstellt. Wer 25 Jahre mit einer Frau dieser Art zusammenleben mußte, der konnte seine eigene Meinung, besonders wenn er sich so verspekuliert hatte, nur dem geduldigen Papier anvertrauen. Angesichts der finanziellen Verluste wird auch die Verbitterung verständlich, die immer wieder aus Justinians Niederschriften spricht. Er hatte nun einmal von Jugend auf einen schweren Stand in dieser Welt - trotz seiner guten Heiraten und seiner eigenen, vielleicht ein wenig besorgten, auf jeden Fall aber guten Wesensart. Aus ihr und nicht aus Pedanterie erwuchs sein Mitteilungsbedürfnis.
Im Erbgang fiel 1908 die Holzhausen-Öde und das ehemalige Vermögen des Fideikommisses dem Rittmeister a. D. Freiherrn Adolf von Holzhausen zu. Er war 42 Jahre alt und Junggeselle wie der Onkel Georg, dessen Nachfolge er antrat. Die von Karl Justinian begründete ältere Linie des Geschlechtes besaß in ihm ihren letzten männlichen Sproß. Und als solcher hat er sich gefühlt und gehandelt. Er war ganz in der Familientradition groß geworden und von dem Gedanken durchdrungen, daß ihr ein bleibendes Denkmal errichtet werden mußte. Darin sah er schließlich seine Lebensaufgabe.
Seine Mutter hatte schon früh in ihm dies Bewußtsein für die Leistungen der Ahnen und ihre Verbundenheit mit der Stadt Frankfurt geweckt. Dabei war Antonie Freifrau von Holzhausen selbst keine Frankfurterin sondern die Tochter des bekannten preußischen Generals von Gablenz. Ihr Gatte, Alexis, war österreichischer Offizier gewesen und mit ihm hatte sie die ersten Jahre ihrer Ehe in einer lombardischen Garnison verbracht. Später übersiedelte die Familie nach Wiesbaden und wurde schließlich in Weimar ansässig. Baron Alexis von Holzhausen war zum Kammerherren des Großherzogs von Sachsen-Weimar ernannt worden. Wie alle Angehörigen dieser Linie des Geschlechtes Holzhausen war er auch Ehrenritter des preußischen Johanniterordens. Wenige Jahre vor seinem Vetter Georg, dem letzten Fideikommißherren, ist er gestorben.
Antonie von Holzhausen war eine geistreiche Frau und nicht ungewandt im Umgang mit der Feder. 1884 erschien ein Roman „Haman von Holzhausen“, den die Verfasserin M. Krummacher ihr gewidmet hat. Er hat mehrere Auflagen erlebt, weil er durchaus dem Zeitgeschmack entsprach. Angeregt aber hatte die Baronin dies Buch und sie ist es auch gewesen, die das allerdings recht frei verwertete historische Material dafür zusammentrug. So sind auch ihre beiden Kinder, vor allem aber ihr Sohn Adolf, ganz in dem Geiste des Familienerbes groß geworden und darin von der begeisterten Mutter bestärkt worden. Der Onkel hatte zudem diesen Neffen schon früh zu seinem Erben bestimmt.
Auf seinen Wunsch wurde Adolf preußischer Offizier. Er trat in das Husarenregiment „Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg“ Nr. 14 in Kassel ein und ließ sich dann später zu den 13er Husaren versetzen, deren Garnison damals in Frankfurt-Bockenheim war. Enge Freundschaft verband ihn mit dem Rennreiter Rittmeister Freiherrn von Hardt. Zeitlebens war er ein passionierter Freund des Pferdesportes. Doch ein Unfall zwang ihn vorzeitig seinen Dienst zu quittieren. Große Reisen haben ihn dann mit seinem Freund durch weite Teile der Welt bis in den chilenischen Urwald geführt. In anschaulichen Berichten hat er seine Eindrücke und Erlebnisse niedergeschrieben und auch darin sein mütterliches Erbteil bestätigt.
Mit dem Blick des weitgereisten Mannes und dem Selbstbewußtsein des Reiteroffiziers verband sich in seinem liebenswürdigen Wesen das Verantwortungsgefühl eines deutschen Edelmannes. Diese innere Verpflichtung aber galt der Ahnenheimat, der altehrwürdigen und doch so modernen Stadt Frankfurt. 1914 überraschte ihn der Kriegsausbruch im Ausland. Sofort eilte der Baron nach Hause und stellte sich als Offizier zur Verfügung. Der Zusammenbruch Deutschlands im Jahre 1918 traf den alten Soldaten und Träger einer durch Jahrhunderte geheiligten Überlieferung so tief, daß er physisch und psychisch darunter litt und sich nie mehr von diesem Schlag erholt hat. Seitdem war sein Sinnen und Trachten noch stärker darauf bedacht, der von ihm verkörperten Tradition seines Geschlechtes ein unvergängliches Andenken zu sichern.
An Vorbildern war in Frankfurt kein Mangel. Im 18. Jahrhundert hatte der Arzt Johann Christian Senckenberg seine ebenso sozialen wie für die Naturwissenschaften bedeutsamen Stiftungen geschaffen. Ihm folgend begründete der Bankier Johann Friedrich Städel mit der von ihm selbst zusammengetragenen Galerie ein bedeutendes Kunstmuseum. Beide Stiftungen hatten in der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft und ihrem berühmten Naturmuseum Senckenberg wie in der Städelkunstschule weitere segensreiche Schöpfungen kultureller Art hervorgerufen und die Namen ihrer Begründer für dauernd mit dem Weltruf der Vaterstadt verknüpft. Etwas ähnliches hat wohl dem Baron Adolf von Holzhausen vorgeschwebt und seine Mittel erlaubten ihm, an solch‘ hochfliegende Pläne zu denken.
Die Beständigkeit und die Entfaltung der Senckenbergischen wie der Städelschen Stiftungen beruhte und beruht auch heute noch zu einem guten Teil darauf, daß sie von vornherein mit stattlichem Grundbesitz ausgestattet wurden und diese Grundlage ihrer Vermögen nach dem Willen ihrer Stifter bewahren sollten. Am Nordrande der Innenstadt, ringsum von dicht bebautem Gelände umgeben und durch Straßenbahnlinien bereits erschlossen, besaß Baron Adolf von Holzhausen mit dem Stammgut der Öde ein 17 ha großes, geschlossenes Gebiet, dessen Wert ständig stieg. Die Wohnlage war begehrt und Baulustige drängten nach ihrer Erschließung. Mit diesem wertvollen Grundbesitz des Barons ließ sich in der Tat eine großzügige Stiftung begründen, besonders wenn er als unveräußerliches Eigentum in ähnlicher Art wie bei den Vorbildern zum Hauptbestandteil ihrer Kapitalausstattung wurde.
Baron Adolf von Holzhausen dachte an ein repräsentatives Bauwerk, an eine bedeutsame Institution von vaterstädtischer Tradition und zugleich kultureller Bedeutung, mit der fortan der Name seines Geschlechtes verbunden sein sollte. So kam er zu dem Plan eines würdigen Neubaues für die altehrwürdige und dank ihrer großen Schätze so wertvolle Frankfurter Stadtbibliothek, die im Zusammenhang mit der Universitätsgründung von Oberbürgermeister Adickes neue Aufgaben übernehmen mußte und längst schon räumlich beengt, zudem von der Universität viel zu weit entfernt war. Dafür war ein beträchtliches Baukapital erforderlich und das wollte der Baron der Vaterstadt mit seiner Stiftung zur Verfügung stellen.
Verhandlungen des Onkels fortsetzend ließ sich Baron Adolf von Holzhausen für die Errichtung einer Terrain-Gesellschaft Holzhausenpark AG gewinnen, die die Verwertung der Öde übernahm und aus dem Grundbesitzer einen millionenschweren Aktionär werden ließ. Und doch war diese Transaktion die Ursache dafür, daß seine Stiftung schließlich in ihrer Hauptabsicht nicht realisiert werden konnte. Heute noch, 30 Jahre nach dem Tode des Stifters, wartet die nunmehrige Stadt- und Universitätsbibliothek, ihres alten Gebäudes und wertvollster Bestände durch den Bombenkrieg beraubt, dringend auf den Neubau in Universitätsnähe, für den seit bald 50 Jahren ein Grundstück bereitgehalten wird. Die Holzhausenstiftung aber kann ihr diesen Wunsch nicht mehr erfüllen. Schon als der Stifter im Sommer 1923 starb und damit durch sein Testament die von ihm beabsichtigte Stiftung förmlich begründet wurde, war ihr reines Geldvermögen im Milliardentaumel der Inflation fast restlos zerronnen. In zäher Arbeit gelang es wohl den Testamentsvollstreckern einen bescheidenen Teil des ursprünglichen Kapitals wieder aus der Abwicklung der unglücklichen Terraingesellschaft zurückzugewinnen. Auf Anregung der Holzhausen-Stiftung wurde sogar ein Architekten-Wettbewerb für den Bibliotheksneubau ausgeschrieben und erbrachte einen brauchbaren Entwurf. Die Ausführung mußte jedoch unterbleiben, weil der 2. Weltkrieg hereinbrach und in seinem Gefolge die Währungsreform von 1948 die Holzhausen-Stiftung fast ganz vernichtete. Eine bittere Tragik hat so eine großzügige Absicht und ein ideales Stiftungsziel zur Chimäre werden lassen. Das lag gewiß nicht am guten Willen des Stifters und auch nicht an seinen ursprünglichen Mitteln, sondern der eingeschlagene Weg eines „modernen“ anonymen Unternehmens als Mittler erwies sich gegenüber den alten Auffassungen vom zähen Festhalten am Grundbesitz als entschieden weniger erfolgreich.
Einige Nebenpunkte im Testament des Stifters konnten dagegen verwirklicht werden. Die Familiengalerie kam als städtische Dauerleihgabe ins Städelsche Kunstinstitut, das Familienarchiv gehört glücklicherweise zu den geschlossen erhaltenen Beständen des so schwer vom Kriege heimgesuchten Stadtarchivs, auch die Stadtbibliothek hat die wertvollsten Teile der ihr überwiesenen Bücherbestände des Holzhausenschlößchens bewahren können. Das Wasserschloß selbst und eine Parkfläche von 3,5 ha hatte die Stadt bereits durch einen Vertrag vom Jahre 1910 von der Terraingesellschaft übernommen. Nach dem Tode des Stifters, der es bis zuletzt bewohnt hat, wurde das Holzhausenschlößchen der Sitz des sogenannten Bundesarchives, das die Akten des Deutschen Bundes von 1815-1866 und der Frankfurter Nationalversammlung von 1848/49 mit verwandten Beständen in sich vereinigte. Nun wird es musealen Zwecken zugeführt. Damit, durch den Holzhausenpark und durch die Benennung der auf dem Gelände der Öde angelegten Straßen nach Mitgliedern der Familie Holzhausen ist ihr Andenken auch der heutigen und hoffentlich vielen künftigen Generationen erhalten worden. Die Stadt Frankfurt tat noch ein Übriges und errichtete aus den Mitteln der Holzhausen-Stiftung ein Denkmal für Hamman von Holzhausen und sein Geschlecht unmittelbar gegenüber dem Wasserschlößchen sowie den Gedenkstein auf der »Alten Burg« bei Burgholzhausen v. d. H. Schließlich sollen auch dies Bändchen wie seine wissenschaftliche Ergänzung zu einem bescheidenen Teil zur Verwirklichung der Absichten des Stifters beitragen.
Er hatte alles größer gedacht und dafür mit Liebe wie beharrlicher Sorgfalt vorgearbeitet. Wenn er sein Ziel nicht erreicht hat, so nicht deshalb, weil er nach unerreichbaren Sternen griff, sondern weil politisch-wirtschaftliche Konstellationen eintraten, die er nicht voraussehen konnte und die unendlich viel mehr als seine Pläne in den Strudel ihrer Vernichtung gerissen haben. Diese Mächte der Zerstörung und einer blindwütigen Selbstzerfleischung sind der Fluch des 20. Jahrhunderts. Noch haben sie die bis in das Mark getroffene Vaterstadt nicht vernichten, ihren in mehr als einem Jahrtausend immer wieder bestätigten Lebenswillen nicht brechen und die Voraussetzungen ihrer Existenz nicht beseitigen können. Solange aber Frankfurt lebt und sich, wenn es sein Schicksal begreifen und meistern will, immer wieder auf seine Vergangenheit besinnen, aus ihr Kraft schöpfen und ihre Tradition für die Zukunft aktivieren muß, wird auch der Name Holzhausen genannt werden müssen. Das Wirken dieses Geschlechtes, die Leistungen seiner Männer und sein Beitrag zum Aufbau der ein halbes Jahrtausend hindurch ihre Geschicke bestimmenden patrizischen Oligarchie waren so vielfältig und bedeutsam, daß seine Geschichte und die der Vaterstadt aufs engste miteinander verstrickt sind und nur bei voller Würdigung dieser unlösbaren Verknüpfung richtig erfaßt werden können. Was andere Familien nur durch eine einmalige Stiftung erreichen konnten, das haben alle Generationen der Holzhausens zusammen bewirkt. Ihr Name ist untrennbar mit dem der Vaterstadt verbunden.
Die Stiftung des Rittmeisters Freiherrn Adolf von Holzhausen bedeutete daher nur eine Unterstreichung dieser Tradition und ein Wiederanknüpfen an die vielen wohltätigen Stiftungen seiner Vorfahren. Er handelte ganz in ihrem Sinne. Auch die Mehrzahl jener Kapitalien ist im Laufe der Zeiten untergegangen, obwohl ihr materieller Wert einst beträchtlich war. Erhalten blieb dem Geschlecht bis in die Gegenwart das Bewußtsein, der Vaterstadt mit allen seinen Kräften dienen zu müssen. Daß Baron Adolf von Holzhausen aus solchem Erbe heraus zum großen Stifter werden mußte, das ist vielleicht das schönste und unvergänglichste Denkmal, das sich dieses Geschlecht selbst gesetzt hat und setzen konnte, wie es selten einer andern Familie möglich war.