Von Silke Hohmann
Grün ist hier nur die Verkleidung in den Schießanlagen. Nachgiebiges, schützendes, die Querschläger bergendes Lindgrün aus Schaumstoff, das die Wände auskleidet. Die Farbe wirkt seltsam fremdartig im Kellergeschoss, ein unerwarteter visueller Reiz, dekorativ und gewiss beruhigend für die Augen. Eine Farbe, die vom Material vorgegeben ist, erklärt Fritz Ludwig fast entschuldigend. Denn Grün hat eigentlich gar nicht vor zu kommen im neuen Polizeipräsidium. Die freundliche Polizeifarbe, weit entfernt auch von militärischen Assoziationen, leicht ins Lodenartige spielend und fast nirgendwo sonst, auch in der Natur nicht vorkommend, hat so gar nichts mehr mit dem Erscheinungsbild gemeinsam, das die Architekten Kalmbacher und Ludwig dem neuen Frankfurter Polizeipräsidium verliehen haben. Mit dem Profil vom grün-weißen Freund und Helfer hat das Architekturbüro in seinem Entwurf ein für alle Mal aufgeräumt.
Die Geste könnte deutlicher nicht sein: Da liegen 250 Meter schwarzbrauner Ziegel, aufgeschichtet zu sechs Geschossen, an der Miquelallee, als gelte es, einen ganzen Stadtteil vom Rest der Welt abzuschotten. Monoton, rigoros, mit pedantisch im Gleichschritt angeordneten Fenstern bildet der neue Hort der Frankfurter Polizei das brachiale Ende einer Gebäudereihe entlang des Alleenrings, die ohnehin einem städtebaulichen Kuriositätenkabinett gleichkommt. Angefangen mit der Tankstelle im Fantasy-Format gegenüber der Deutschen Bibliothek, setzt sie sich fort in der braunrot gekachelten Oberfinanzdirektion aus den fünfziger Jahren mit ihrem kühn vorgelagerten Konferenzsaal auf Pfeilern, um in der Mitte mit fantasielosen Verwaltungsbauten in Zartviolett eine Hängepartie zu erfahren.
Der Schlusspunkt, künftiger Arbeitsplatz von rund 2 500 Beamten, lässt sich kaum markanter denken: Das Volumen des größten Bauprojektes, das vom Land Hessen je in Auftrag gegeben wurde, entspricht dem des Commerzbank-Towers im Frankfurter Bankenviertel. Schon vor zwölf Monaten sollte der Umzug in das Polizeipräsidium abgeschlossen sein, Anfang der nächsten Woche kann das Gebäude eingeweiht werden, da die Staatliche Neubauleitung die Baukosten immer wieder scharf kalkuliert und kontrolliert hat.
Statt wie etwa Norman Foster bei seinem Commerzbank-Turm Transparenz vorzuspiegeln, ballt sich hier in der Horizontalen ein abwehrendes, mit Nieten gespicktes Fort. "Die Polizei ist ja nicht nett," begründet Fritz Ludwig die rautenförmigen, reliefartigen Plaketten zwischen den Fenstern, die wie metallener Beschlag aussehen - eine Idee des Künstlers Lothar Baumgarten. Die Dekoration ist Reverenz an die Uniformen aus einer Epoehe, als ein Wachtmeister noch eine schneidige Respektsperson war. In Ermangelung von zeitgenössischen, ausdrucksstarken Signets, die den aktuellen pistaziengrünen. Uniformen hätten entliehen werden können, besann man sich auf die Zeit, als eine Polizeimütze noch Tschako hieß, oder, noch weiter zurückliegend, als man Uniformen noch Rüstung nannte und einen Schraubenschlüssel zum An- und Auskleiden brauchte. Manchmal kann man eben auch mit sentimentalen Mitteln Härte demonstrieren. Aber wie verschafft sich ein Gebäude Respekt, noch dazu in einer unpopulären Richtung, die keineswegs die allgemeine gesellschaftliche Haltung zum gewünschten Auftreten der Exekutive wiederspiegelt?
Dass die Ausdruckssuche der Polizei als ausführendes Organ der Staatsmacht sich ausgerechnet in Ornamentik und Fertigbauteilen manifestiert, ist bei flüchtiger Wahrnehmung, zum Beispiel im Vorbeifahren an der an Passanten armen Wegstrecke, nicht zu erkennen. Die Dekoration wir wie ein funktionsbedingt wiederkehrendes Element, das Gemäuer strahlt Massivität aus. Genau hier hat der kraftstrotzende Gestus aber seine Schwäche, und der Kasten erweist sich als martialisches Schmuckkästchen. Denn auch die Ziegel sind aufgesetzt und keineswegs Stein auf Stein gemauert - nicht aus Kostengründen, sondern wegen der Zeitersparnis, wie Ludwig erklärt.
Ist das nun Kitsch? Plakativ und uninspiriert wie ein Hundertwasser-Kindergarten? Greift die große Geste ins Leere, wenn sich Architektur so demonstrativ um die Kongruenz von Form und Inhalt bemüht? Wenn die Form eine konstruierte Idee ist, der ein ideologisch begründeter Inhalt folgen soll - und all das noch nicht mal konsequent ausgeführt wird? Das Polizeipräsidium von Kalmbacher und Ludwig stellt sich jedoch in einem nur scheinbar autoritären Gestus dar, denn die abweisende Hülle einerseits und das Innere des Behördenbaus andererseits führen voneinander getrennte Eigenleben. Schon im Eingangsbereich wird klar, dass das Säbelrasseln bloß Pose ist und sein soll. Im Innenbereich des monolithischen Baukörpers von 232 mal 127 Metern Kantenlänge herrschen Licht, Offenheit und Transparenz. Versetzte Riegel, die acht Höfe einschließen, gliedern den Gesamtkomplex nach Funktionen und Abteilungen. Komplett verglast ist die lange Mittelspange zur Erschließung aller Bereiche. Sie sei wettbewerbsentscheidend gewesen, eine logistisch unkomplizierte Lösung für den Umstand, dass auch intern nicht jeder Polizist Zugang zu allem Räumen hat. Ursprünglich war auch in den Fenstern der äußeren Fassade ein höherer Anteil von Glas geplant. Doch die Polizei braucht Fensterbänke, zur Ablage von Geräten wie Ladestationen; nur durch diese Bedürfnisse kamen die Brüstungen aus eloxiertem Aluminium hinzu.
Vom Bullenstall jedenfalls, ein Begriff, der noch vor Baubeginn von einem Architekten ins Spiel gebracht wurde, der ebenfalls an dem 1995 ausgelobten Wettbewerb teilgenommen hatte und unterlegen war, kann keine Rede mehr sein für denjenigen, der das Präsidium von innen gesehen hat. Was die dienenden Funktionen des Gebäudes angeht, zählt das Frankfurter Exemplar sicher zu den Waldorfschulen unter den Polizeipräsidien. Kalmbacher und Ludwig haben in Planungsgemeinschaft mit dem Frankfurter Büro KSP Engel und Zimmermann, das für die geschäftliche Abwicklung zuständig war, ein klar strukturiertes, die Arbeitsbedingungen der Beamten deutlich verbesserndes Behördengebäude gebaut -auch wenn sein Äußeres eine andere Sprache spricht. Dieser Architektur liegen zutiefst romantische Motive zugrunde: Der Wunsch nach großem Ausdruck, und der Glaube, man könne durch die Formgebung Einfluss auf Inhalte nehmen.