Aus dem ehemaligen "Paradies Hinterhof" ist eine bewachsene Tiefgaragen-Decke geworden. Der Umbau des einstigen Mini-Dschungels hat die Anlieger empört und nun wegen der damit verbundenen Beeinträchtigungen in einem ersten Gerichtsverfahren zu Mietminderung geführt.
Anwohnerin des Hinterhofs an der Eschersheimer gewinnt Prozess: Wegen Bebauung keine bevorzugte Wohnlage mehr
Von Claudia Michels
Das "Paradies Hinterhof" an der Eschersheimer Landstraße 50-54 ist bei mancher Nordendfamilie unvergessen. Jetzt taucht das Idyll, vor dessen sortierten Resten heute das Handelsblatt-Haus steht, wieder auf: Vor Gericht. Wenn jemand an einen solch grünen Hinterhof zieht, nach kurzer Zeit aber eine Großbaustelle unterm Fenster hat, darf er die Miete reduzieren - das ist das Ergebnis der ersten Klage um die verlorene Beschaulichkeit (Az. 33 C 2606/02 - 50).
Als Mirjam Glaser im September 1999 in die Baustraße 21 gezogen ist, hatte sie da eine innenstadtnahe Wohnung mit Blick auf uralte hohe Bäume, Rosenbüsche und lauschige Parkwege gefunden. Denn an seiner Nordseite wurde das von einer Bürgerinitiative umkämpfte „Paradies" von der Baustraße umrahmt.
Dass auch ihre Vermieterin den Wert der guten Lage erkannt hatte, sah Mirjam Glaser, als diese ihr am 28. Februar 2001 eine Mieterhöhung schickte. Der Aufschlag "von mehr als zehn Prozent über den Grundmietzins", so begründete Richterin Wichmann am Amtsgericht ihre Entscheidung für die Ansprüche der Mieterin, wurde "unter anderem wegen Südbalkon zum Grünen geltend gemacht".
Am 11. Oktober 2001 dann aber ließ die Fay Projektentwicklungs GmbH an der Eschersheimer Landstraße 50-54 den Grundstein für das Bürohaus legen. Zwar hatte die Bürgerinitiative erreicht, dass ein Wohnhaus direkt im Garten aus den Bauplänen gestrichen und die wichtigsten Bäume erhalten wurden, doch mit dem massiven Bau und der Unterkellerung des Gartens für eine Tiefgarage ist von dem Idyll nur eine baumbestandene Freifläche, flankiert von einer Reihe hoher Abluftrohre, geblieben. Heute übermittelt die Mieterin aus der Baustraße: "Den Blick ins Grüne gibt es nicht mehr."
Als die Bagger auffuhren, hat Mirjam Glaser die Miete für ihre 80-Quadratmeter-Wohnung in der Baustraße reduziert. Und zwar sieben Monate lang, um insgesamt 426,60 Euro. Ihre Vermieterin verklagte sie. Da war bei der Eigentümerin nicht mehr die Rede von bevorzugter Wohnlage. Die Mieterin hätte doch sehen müssen, dass um die Ecke in der Eschersheimer 50-54 eine "Brache und ein Schandfleck mit abbruchreifen Gebäuden" lagen und „allein deshalb jederzeit mit einer Bebauung gerechnet werden" musste.
Die Richterin hat vor ihrer Entscheidung unter anderem ein in der FR erschienenes malerisches Foto von "Pardies Hinterhof" studiert. Das "vorgelegte Lichtbild" spreche gegen die Behauptung der Hauseigentümerin. "Allein der Bewuchs mit Bäumen", so heißt es in der Urteilsbegründung, lasse in ihren Augen die "Erwartung einer Bebauung eher ausschließen". Dies, "weil Bäume in Frankfurt am Main aus guten Gründen nicht ohne weiteres entfernt werden dürfen".
So bekommt laut Gerichtsurteil die Eigentümerin der Baustraße 21 die entgangene Miete nicht zurück. Es ist für Recht erkannt, dass die Bauarbeiten "die Tauglichkeit der Wohnung zu ihrem vertragsgemäßen Gebrauch nicht nur unerheblich beeinträchtigt" haben. Zusätzlich hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Wie zu hören ist, stehen ihr zwei weitere derartige Gerichtsauseinandersetzungen bevor. Denn auch Mieter der unteren Wohnungen ihres Hauses, aus denen man jetzt auf Abluftrohre der Tiefgarge blickt, haben sich für den Baulärm ein Trostpflaster in Form geringerer Miete genehmigt.