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Oeder Weg Sonderseite in der Frankfurter Rundschau vom 24.10.2002

Essen&Trinken - Der Oeder Weg bietet für jeden Geschmack etwas

Kneipengeografisch beginnt der Oeder Weg genau da, wo die Menschheit sich zurzeit befindet: im "21. Jahrhundert". Und wie die heutige Zeit wirkt auch das Trendlokal in der Hausnummer 21 der Einkaufsmeile im Nordend von außen zunächst eher düster. Doch hinter den großen Glasscheiben ist die Atmosphäre locker und entspannt. Mittags lassen sich hier Büromenschen zum Essen nieder, nachmittags ist Kaffeezeit, abends kann man nicht nur beständiges wie Grüne Soß' oder raffinierte Crepes mit Champignons in Weißweinsauce essen, sondern auch Musik vom Plattenteller hören und dazu einen Cocktail schlürfen.
Das Kontrastprogramm ist im oberen Oeder Weg antreffen: Der gelbe Namenszug des "Wanners", Hausnummer 80, ist selbst nachts hell erleuchtet. In der "feinbürgerlichen" Küche kommt nichts aus der Mikrowelle. Ob hausgemachte Tagliatelle mit Parmaschinken, Lauchquiche mit Parmesan, Schnitzel "Wiener Art" oder Salat mit Entenbrust und Orangensauce, die Speisekarte im Wanners gibt einiges her.
Fernöstlich und dazu noch pazifisch mutet die Cocktail-Bar "Hua Hin" im Oeder Weg 15 an. Das kleine Lokal hat sich in der Einkaufsmeile des westlichen Nordends mit seiner stattlichen Liste von 80 Cocktails etabliert. Von"Polynesiens Lieblingsgetränk" über den"Chinese Itch" bis zum bekannten "Sex on the Beach" bleiben da kaum noch Wünsche offen. Und weil leerer Magen nicht gern schwimmt, greift man vielleicht noch zu pikanten Gemüsebällchen oder gleich Rindfleisch mit scharfer roter Currysauce. Das zieht, und so braucht der Inhaber auch nicht das weniger attraktive Leuchtschild mit der Inschrift in Bambus-Optik zu ändern.
Schräg gegenüber hat sich gleich noch ein Asiate etabliert: Im "Kowloon City" macht einem die reiche Speisenkarte die Auswahl schwer. Nicht zuletzt, wenn man sich vor verschiedenen Chop Sueys kaum retten kann und schon bei den Vorspeisen eine Nudelsuppe mit "acht Schätzen" an Fleischsorten erwartet.
An der Einmündung zur Querstraße hat sich eine Neuheit im Straßenbild angesiedelt: Das "Quer". So spitze Winkel wie an diesem Gebäude sucht man an Frankfurts Straßen meist vergeblich. Das kleine Steh-Bistro hat sich auf Suppen spezialisiert und lockt den Passanten an der Außenfassade mit elegant englisch-grüner Verbrämung. Auf den ebenso grünen Außenschildern verwirrt den Betrachter eine beachtliche Auswahl an Speisen und Getränken. Aber nicht abschrecken lassen: Ein bisschen quer im Raum stehen ist nie verkehrt. Erst recht nicht, wenn man dabei Curry-Orangen-Suppe oder Kokossuppe mit Hähnchen und darauf noch eine Rosmarin-Focaccia, einen gewürzten Brotfladen, genießen kann.
Den großen Hunger zwischendurch befriedigt schnell und gut der "Phuket-Thai-Snack" an der Ecke Finkenhofstraße. Und wer sich als Dessert anschließend noch einen gesunden Schoko- oder Müsliriegel gönnen will, ist beim Freya-Reformhaus, Oeder Weg 52, bestens aufgehoben.
rut

Am Promi-Treff hat Rentner Stickforth schon viel erlebt
Selbst Rudolf Scharping kauft sich beim Kiosk am Adlerflychtplatz seine Zeitung / Ein Büdchen mit Tradition

Von Tobias Becker

Der Kiosk Adlerflychtplatz ist ein wahrer Promi-Treffpunkt", sagt Claus Stickforth und schmunzelt. Der 74-Jährige kommt täglich auf ein Bier an das größte Büdchen im Oeder Weg, auch wenn er vor einem halben Jahr aus dem Nordend in eine Senioren-Wohnanlage an der Brentanostraße gezogen ist: Im Alter soll man sich ja bewegen - und da brauche ich einfach ein Ziel Und ein besseres Ziel kann er sich kaum vorstellen. Schließlich hat er an seinem Stamm-Kiosk schon jede Menge erlebt: Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) kaufe immer seine Zeitungen am Adlerflychtplatz, wenn er Gräfin Pilati im Nordend besuche. "Und das völlig alleine, ohne Personenschutz", wundert sich Stickforth.
Gleich mit vier Bodyguards tauche dagegen von Zeit zu Zeit Michel Friedmann auf, Polit-Talker und Vize-Vorsitzender des Zentralrats der Juden. "Der kauft immer fünf bis sechs Zeitungen auf einen Schlag", weiß der Rentner. Die Reihe prominenter Politiker, die das Büdchen aufsuchen, lässt sich beliebig fortsetzen: CDU-Rechtsaußen Erika Steinbach komme jeden Samstag, kaufe meist zwei Kisten Wasser und Zeitungen. Ihren Besuch schätzt der Mann mit dem weißen Vollbart besonders: "Sie ist sehr freundlich schmeißt immer 'ne Runde."
Weniger gut spricht er von Ex-Eintrachtler Andy Möller. Der heutige Schalker gehe bei Frankfurt-Stippvisiten häufig in einem bekannten Nordend-Restaurant essen, laufe am Kiosk aber stets vorbei. Der ist hochnäsig, kommt nicht zu den einfachen Leuten", sagt Stickforth, auch wenn er ihn als Fußballer schätzt.
"Viel lockerer ist da Boris Becker", wirft Ursula Alt ein, die hier öfters vorbei kommt. Der Wimbledon-Sieger sei mal vor Jahren am Kiosk vorbeigekommen, hab in der Auslage eine Zeitschrift entdeckt und mit verschmitztem Blick zugegriffen Auf dem Titel: Eine Fotomontage von Steffi Graf mit entblößtem Oberkörper. Ihr damaliger Lebensgefährte Hugo Meyer habe sie daraufhin sofort aufgeregt angerufen. Das Nordend-Original stand mehr als 30 Jahre lang hinter der Kiosktheke, war bekannt wie ein bunter Hund.
Als er vor fünf Jahren an Heiligabend plötzlich verstarb, kamen viele Anwohner und trauerten in Briefen und Bildern an den Kioskwänden. Die Frankfurter Rundschau berichtete in einem großen Artikel unter der Überschrift Abschied vom informellen Bürgermeister".
Die Stammkunden erinnern sich noch immer gerne an"ihren" Hugo - auch wenn sie den neuen Verkäufer Yves Hemmerlin längst in ihr Herz geschlossen haben. Der gebürtige Elsässer lebt seit neun Jahren in Frankfurt und verkauft täglich von 6.30 Uhr bis 20 Uhr Zeitungen, Zigaretten, Bier, Lollis und Mäusespeck. "Er ist ein Pfundskerl", sagt Rentner Stickforth und schiebt sich seine schwarze Baseball-Kappe aus dem Gesicht. Nur seinetwegen kommen die Stammgäste freilich nicht.
"Sie werden in Frankfurt wahrscheinlich keinen Kiosk finden, der so viele Biermarken verkauft", sagt Stickforth. Ein Blick in die Regale zeigt 14 verschiedene Sorten. Im übrigen seien die Stammgäste fast wie eine kleine Familie, findet Ursula Alt. Wie überhaupt das Nordend sehr familiär sei. Sie stamme aus Büdingen im Wetteraukreis, habe zeitweise in Bornheim gewohnt und sei dann 1988 ins Nordend gezogen - "und hier ziehe ich auch nie wieder weg." Zumal es am Oeder Weg alles gebe, was man brauche: Den Kiosk, klar, aber auch Kneipen, Supermärkte, Bäcker, Bio-Läden, Eiscafé, Blumengeschäfte, Mode-Boutiquen, Schmuckgeschäfte, Banken und natürlich Traudels Frisierlädchen.
Genügend Gelegenheit also, in den kommenden Tagen im Oeder Weg etwas zu unternehmen. Denn bis zum 4. November ist der Kiosk geschlossen: Yves Hemmerlin ist ins Elsass gereist. Claus Stickforth betrübt das nur leicht. Und das nicht nur wegen des guten Alternativ-Angebots der Einkaufsmeile im Nordend. Der Stammgast schaut in die Runde und frotzelt: "In der Zeit erhole ich mich wenigstens mal von dem Geschwätz hier."

Vom Feldweg zur Einkaufsmeile
Einst war der Oeder Weg nur Zufahrt zum Holzhausen-Gut

Es war einmal: Da gab es weit vor Frankfurts hohen Stadtmauern einen Bauernhof, der sich"Holzhausener Oed" nannte. Nicht mehr viel erinnert heute noch an das Anwesen. Nur ein Straßenname: der Oeder Weg. Die mittlerweile viel befahrene Nordend-Straße schlängelt sich hinauf zum Holzhausenschlösschen, wo bis in die ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts jener Gutshof stand.
Erstmals urkundlich erwähnt wird der Hof 1389. Im Jahr 1503 wird in einem Dokument von der "gross oede" geschrieben, "gelegen vor der Eschersheimer porten". Die "Eschersheimer porten", das war das Eschenheimer Tor, wo der Weg zum Hof anfing. Dort lebte die Familie Holzhausen hinter einem ordentlichen Wassergraben mit Zugbrücke. Das große Geld machte sie als Händler im europäischen Warenverkehr und kam bald zu städtischen Ämtern und Würden.
Lange Zeit wurden am Oeder Weg nur Alleenbäume gepflanzt. Während sich das Anwesen der Holzhausens stetig veränderte - mal brannten Belagerungstruppen den Hof nieder, dann baute die Familie ihr Wasserschlössehen, räumte es für Fürst von Thurn und Taxis und zog im 19. Jahrhundert wieder ein - blieb die Straße zum Hof lange in ihrem ursprünglichen Zustand. Erst im 20. Jahrhundert trieb die Stadt hier den Städtebau voran. Eine Straßenbahn schlängelte sich den Weg entlang, bis sie in die heutige Glauburgstraße abbog. Doch der Verlauf des einstigen Feldweges blieb seit dem Mittelalter gleich. Das änderte sich auch nicht, als weitere Häuser am Oeder Weg gebaut wurden.
Der Oeder Weg war eine Hauptstraße, so wichtig wie die Friedberger, Eckenheimer und Eschersheimer Landstraße. Dort, wo die Straßenbahn in die Glauburgstraße abbog, zeigte ein Blick nach links, dass man sich auf hochherrschaftlichem Grund befand: Ein großes schmiedeeisernes Tor mit flankierenden Steinsäulen im Louis-Seize-Stil markierte den Parkeingang. Durch eine Allee aus Kastanien konnte man das Holzhausenschlösschen sehen.
Das Tor steht auch heute noch, das umgebende Grün ist im Stadtplan als Paul-Hindemith-Anlage verzeichnet, und die Allee heißt inzwischen Kastanienallee. Die Nachkriegsentwicklung aber hat mit Park, nobler Herrschaftlichkeit und zuckelnder Tram gründlich aufgeräumt. Am unteren Oeder Weg war gut zur Hälfte alles bei alliierten Bombenangriffen zerstört worden. Kaum schwelgte man im Wirtschaftswunder, da galt es schon, in Frankfurt die "autogerechte Stadt" zu verwirklichen. Wo es ging, schlug man breite Schneisen, drängte Menschen, Grün und Häuser so weit wie möglich an die Seite. Im kurvenreichen Oeder Weg ging das nur mäßig. Als Schleichweg zwischen Eckenheimer und Eschersheimer Landstraße aber reichte er allemal.
Seitdem stöhnen Anwohner und Händler über die Verkehrsflut. Der Ortsbeirat 3 (Nordend) hat in den vergangenen Jahren die Stadtplanung mit Anregungen traktiert, bis die sich entschloss, den Oeder Weg so unattraktiv wie nur möglich für den Durchgangsverkehr zu machen, um aus dem vormaligen Feldweg eine Einkaufsstraße werden zu lassen. Ganz zufrieden sind Ortsbeirat wie Einzelhändler mit dem Ergebnis nicht. Gerne fordert man "Visionen" für den Oeder Weg. Wie die aussehen könnten, weiß keiner. Nur zum erholsamen Anfahrtsweg ins Grüne wird der Oeder Weg nicht mehr werden. rut

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