Auch das östliche Nordend ist nun durch eine Erhaltungssatzung geschützt / In Einzelfällen entscheidet die Bauaufsicht
Von Peter Rutkowski
Das gesamte Nordend genießt seit neuestem den architektonischen Schutz zweier Erhaltungssatzungen. Nachdem vor einigen Jahren bereits der westliche Teil des Viertels zwischen Westend und Friedberger Landstraße in den Genuss einer solchen Satzung gekommen ist, wurde nun auch die Satzung "Nordend II" für das östliche Gebiet bis zum Sandweg herausgegeben.
NORDEND. Ein Allheilmittel gegen Bausünden ist die Erhaltungssatzung allerdings genauso wenig wie das endgültige Aus für jeglichen Bauwunsch eines Hausbesitzers. Das haben die Frankfurter Stadtverordneten am 19. Dezember 2002 in Übereinkunft mit der Hessischen Gemeindeordnung und dem Baugesetzbuch so festgeklopft. Die Stadt will nur "die städtebauliche Eigenart" des in der Satzung verzeichneten Gebietes "auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt erhalten".
Im Klartext heißt das: Ein Verbot für Bauvorhaben wird nur ausgesprochen, wenn die Pläne das gewachsene Bild der Umgebung sichtlich beeinträchtigen. Wer also beispielsweise eine alte Fassade an der Rotlintstraße schleifen wollte, damit der Eindruck eines modernen Neubaus entsteht, hat schlechte Karten. Ebenso wenig Aussichten auf Erfolg hat, wer einem vornehmen Gründerzeitbau an der Günthersburgallee das Dach abrasieren will, um ein Loft-Apartement aus Stahl und Glas draufzusetzen.
Im Einzelfall entscheidet aber die städtische Bauaufsicht darüber, was geht und was nicht. Zumindest hat die Politik ein klares Votum darüber abgegeben, dass sie das heutige Nordend weitgehend erhalten möchte und nicht als Spielwiese für Investoren freizugeben gedenkt. Denn das Viertel hat einiges zu bieten, wie die neue Erhaltungssatzung mit der Nummer 42, "Nordend II", anschaulich erklärt.
Das von dem Darmstädter Architektenbüro Diesing und Lehn bearbeitete Gebiet reicht von der Friedberger Anlage im Süden die Friedberger Landstraße hinauf bis zur Münzenberger Straße, von dort über Rotlint-, Gellert-, Wetterau- und Hartmann-Ibach-Straße vorbei am Günthersburgpark hinauf zur Weidenbornstraße, von dort über die Rendeler Straße zur oberen Berger Straße, diese hinunter zum Uhrtürmehen und von dort über Arnsburger Straße und Sandweg wieder zurück zum Anlagenring. Über die nordöstlichen und östlichen Teilgebiete braucht niemand sich zu wundem. Die gehören zwar politisch zum Ortsbezirk 4 (Bornheim, Ostend), architekturgeschichtlich haben sie aber tatsächlich mehr mit dem Nordend zu tun als mit dem alten kleinen Dorf Bornheim weit draußen vor den Mauern Frankfurts.
Als 1804 die Wehranlagen Frankfurts auf Geheiß der napoleonischen Besatzer abgetragen wurden, gab es außer Heide, Wald und Wiese praktisch noch nichts zwischen Frankfurt und Bornheim. Einige vermögende Patrizier bauten sich hier Sommerfrischen. Das nahm zur Mitte des Jahrhunderts zu, und die ältesten Bauten von "Nordend II" finden sich heute unter der Bezeichnung Spätklassizismus (um 1865) an der Ecke Burg- und Germaniastraße und zwischen Eichwald- und Wiesenstraße. Danach folgt die Gründerzeit von 1870 bis 1910 mit zuerst Straßenrandbebauung und später Vorgärten. Günthersburgallee und Alleenring wurden als spätwilhelminische Prachtstraßen konzipiert. Die letzten Erschließungsarbeiten folgten ab 1900 am Prüfling. Nach dem Ersten Weltkrieg entstanden noch rund um die katholische St. Michaelkirche kleinere Siedlungsbauten.
Wer also wissen will, wo er wohnt, wird ohne das in Weiß und fahlem Rotbraun gehaltene Faltblatt in Zukunft nicht mehr auskommen. Das gilt auch für potenzielle Bauherren. Und Lokalpolitikern, wie denen der Ortsbeiräte 3 (Nordend) und 4 (Bornheim, Ostend), die sich schon lange für die Erhaltungssatzungen stark gemacht haben, kommt "Nordend II" ebenfalls zupass. Das verantwortliche Planungsamt hat 20000 Exemplare drucken, lassen. Kostenpunkt mit allen Vorarbeiten: rund 20 000 Euro. Wobei, so die Redakteurin und Stadtplanerin Sylvia Reichert, "das etwas günstiger war als bei der ersten Satzung für das westliche Nordend, da ja dort schon viele Vorarbeiten geleistet worden waren". Knapp 18 000 der Faltblätter sollen an die Haushalte im Gebiet verteilt werden. Den Rest will die Stadt zurückbehalten als eigenes Arbeitsmaterial. "Zur Beratung", sagt Reichert. Denn schon seit Februar ist die Satzung rechtsverbindlich, und Verwaltung wie Bauherren müssen sich an ihr nun orientieren.