Der rund 140 Jahre alte Gebäudekomplex westlich der Friedberger Warte wird abgerissen / Wechselnde Geschichte
Von BORIS SCHLEPPER
Ein Stück Geschichte geht derzeit an der Friedberger-/ Ecke Homburger Landstraße zu Ende. Bagger reißen das historische Ensemble westlich der Friedberger Warte ab. Bis vor drei Jahren war dort Hydrokultur untergebracht. Der Betreiber Peter Schmitt kennt die Vergangenheit der Liegenschaft.
NORDEND - Teile der Rundbogen aus Sandstein liegen im Dreck. Daneben Backsteine und das Lehm-Stroh-Gemisch der alten Deckenkonstruktion - Zeugnisse einer Bauweise, als Stahlbeton noch nicht weit verbreitet war."Wenn ich das sehe, tut es mir schon im Herzen weh", sagt Peter Schmitt. 30 Jahre lang hat er an der Ecke Friedberger-/Homburger Landstraße Kunden mit Pflanzen, Zubehör und Informationen zum Thema Hydrokultur versorgt. Genauso lange hat er Zeit gehabt, sich mit der Vergangenheit des historischen Ensembles zu beschäftigen, dem es derzeit an den Kragen geht.
Über die Geschichte des Gebäudekomplexes hat Schmitt aus einer gut unterrichteten Quelle erfahren: Die langjährige Eigentümerin, deren Vater vor rund 100 Jahren Teile der Häuser errichtet hatte, zog ihren Mieter in den 70er Jahren ins Vertrauen. Von ihr hat Schmitt die Geschichte erzählt bekommen, dass in einem der Gebäude ursprünglich ein Ausflugslokal untergebracht gewesen war. Anfänglich seien die Besucher noch mit Kutschen angereist. Deshalb habe der ehemalige Eigentümer den parallel zur Homburger Landstraße verlaufenden Bau als Pferdestall errichtet, in dem Schmitt zuletzt seine Hydrokulturen veräußerte. "Doch als er fertig war, gab's bereits die ersten Autos."
Nach dem Ersten Weltkrieg sei das Anwesen von französischen Streitkräften beschlagnahmt worden, erzählt Schmitt, "da es der äußerste Punkt der entmilitarisierten Zone Frankfurt war". In den Häusern seien Offiziere stationiert worden, "um die Verkehrswege gen Norden zu kontrollieren". Auch nach dem Zweiten Weltkrieg mussten die Besitzer den Siegermächten Platz machen. Damals hätten sich die Amerikaner das Haus unter den Nagel gerissen. Schmitt erinnert sich, dass in den 80er Jahren eines Tages ein Mann bei ihm im Laden stand und sagte, "er habe hier '45 als Zwangsarbeiter der Amis Mauern gebaut - Wände für die Arbeitszimmer der Damen in einem amerikanischen Armeepuff".
Während das Haupthaus bis ins Jahr 2001 als Hotel diente, wechselten die Mieter in dem länglichen Bau vor Schmitt häufig. Kaum hatten die Amerikaner das Feld geräumt, sei dort das Kreiswehrersatzamt untergekommen, erinnert sich der Gartenfachmann. "Ich selbst bin dort noch 1962 gemustert worden." Später sei dort eine Druckerei untergebracht gewesen, anschließend war hier der Lesekreis daheim.
Im Jahr 1978 ist Schmitt erstmals auf das Ensemble aufmerksam geworden. Bei seiner Nachfrage habe die Eigentümerin gezögert. "Da habe ich ihr zu Ostern kurzerhand eine Hydrokultur geschenkt, damit sie sieht, was ich vorhabe". Der Plan ging auf, und Schmitt konnte sein Geschäft an der Warte eröffnen. Mehrere Jahre teilte er sich von da an das Grundstück mit dem Hotelbetreiber und einem Hersteller von Kindergartenmöbeln.
Ende der 90er Jahre hörte er erstmals davon, dass sein Geschäft der Verlagerung der Friedberger Landstraße weichen muss. Da er einen Pachtvertrag bis 2015 gehabt habe, konnte er nicht einfach vor die Türe gesetzt werden. Vor rund drei Jahren schlug ihm die Stadt schließlich einen Tausch vor. Seitdem betreibt er seinen Laden an der Homburger Landstraße 5.
Nach Aussage des hessischen Landesdenkmalpflegers Christoph Mohr ist das historische Ensemble an der Ecke Homburger- / Friedberger Landstraße, das erstmals um das Jahr 1865 im Stadtplan auftauche, "ein Grenzfall". Durch verschiedene Umbauten in der Vergangenheit habe das Gebäude "an Originalität verloren" und sei nur noch "rudimentär" vorhanden.
So sei etwa an der Rückseite "ein Flachbau brutal angebaut worden". Deshalb hätten die Denkmalpfleger dem Abriss "nach langer Überlegung" zu gestimmt.
Der an der Straße liegende Bereich des Grundstücks soll von der Stadt Frankfurt für den Ausbau der Friedberger Landstraße verwendet werden. Auf dem westlichen, 2400 Quadratmeter großen Abschnitt möchte der Mineralölkonzern BP eine neue Tankstelle errichten.
Derzeit breche die Stadt gemeinsam mit BP die Gebäude ab, sagt der stellvertretende Leiter des Liegenschaftsamtes, Mathias Wilhelm. Zwar sei noch unklar, wann mit dem Ausbau der Friedberger Landstraße begonnen werden kann. Dennoch sollen alle Häuser weichen, "sonst bleibt eine Art Puppenhaus stehen, das von hinten offen ist" sagt Wilhelm.
Er geht davon aus, dass spätestens in 14 Tagen alles abgebrochen ist. Sobald das Areal frei ist, möchte British Petrol dort für 1,5 Millionen Euro eine Tankstelle bauen, sagt BP-Sprecherin Claudia Braun. Geplant sei eine Station mit vier Zapfsäulen, bisher ohne Gas, eine Waschstraße und ein 125 Quadratmeter großer Shop. BP will die Anlage bis Ende dieses Jahres hochziehen lassen. BOS