Nordend. Am Anfang suchte Achim Mittler nur ein
Datum: Das Baujahr des Hauses in der Sömmeringstraße 11, in dem er vor sechs
Jahren seine neue Wohnung gekauft hatte. "Bis ich rausgefunden hatte, dass unser
Haus aus dem Jahr 1867 stammt, hatte ich jede Menge Material gesammelt",
erinnert sich Mittler, der seit seiner Schulzeit in Frankfurt lebt. So entschied
er, all die Fotos, Karten und Texte für eine Internetseite zu verwenden. Unter
"www.frankfurt-nordend.de" veröffentlicht der 47-Jährige seit gut zwei Jahren
alles, was er über seinen Stadtteil herausfindet.
Eine umfangreiche
Chronik über die Geschichte des Stadtteils seit dem Jahr 83 hat Mittler aus
verschiedenen Quellen zusammen gestellt. Viele historisch interessante Orte im
Stadtteil oder auch die Spuren der alten Frankfurter Gastronomie werden in
längeren Texten erklärt. Alte und neue Karten hat Mittler eingescannt, ein
Register für Straßennamen und ihre Ursprünge angelegt. "Inzwischen habe ich mehr
als 40 Texte und gut 1000 Bilder zusammen."
Eine teilweise mühsame
Suche. Denn obwohl Mittler, der als Netzwerkadministrator in der Deutschen
Bibliothek arbeitet und Zugang zu den meisten deutschsprachigen Büchern hat,
über das Nordend findet sich kaum Literatur. "In den meisten Geschichtswerken
über Frankfurt wird das Nordend in zwei, drei Zeilen abgehakt." Doch nach der
Lektüre von mehr als 78 heimatkundlichen Büchern hat Mittler ein recht
zusammenhängendes Bild von der Geschichte des Stadtteils. Einst, von den Jahren
83 bis 260, standen nur vereinzelte römische Villen auf dem Territorium des
heutigen Stadtteils.
Im 8. Jahrhundert errichteten Patrizierfamilien so
genannte Meierhöfe vor den Toren der Stadt. Später wurden sie ausgebaut in
Wehrhöfe und sogar Burgen. Eine der ersten war die Bornburg, später
Günthersburg. Ab dem 18. Jahrhundert stand den wohlhabenden Bürgern der Sinn
nicht mehr nach Wehranlagen, Schlösser und Parks wurden nun angelegt.
Übergreifende Bebauungspläne, nach denen aus dem ländlichen Vorort ein neues
Frankfurter Wohnviertel wurde, entwickelte die Stadtverwaltung erst 1849. "Das
Nordend ist eigentlich entstanden, weil das alte Frankfurt aus allen Nähten
platzte", so Mittler, dessen zweites Hobby sein blumenreicher Garten im
Hinterhof ist.
Wie die Besiedlung auf dem ehemaligen Heideland immer
dichter wurde, kann man sich unter dem Stichwort "Entwicklung" auf der
Internetseite anschauen. Auch das heutige Nordend interessiert den
Computerfachmann. Mit der Kamera fängt er Straßenzüge, Eingänge und auch
Stimmungen ein. Ein echtes Nordend-Lexikon, findet Mittler, fehle seiner Website
noch.
Obwohl seine Neugierde für den Stadtteil noch lange nicht
erschöpft ist, für einen rastlosen Hobbyhistoriker hält er sich nicht. "Die
ernsthafte Recherche, etwa im Institut für Stadtgeschichte, hebe ich mir lieber
für die Rente auf", scherzt er. Bis dahin würde er sich freuen, wenn ihm andere
Nordend-Fans bei der Recherche helfen. "Ich suche noch alte Fotos, die in der
Nachbarschaft bestimmt auf so manchem Dachboden lagern." (ing)