Dritte Stadterweiterung. Ludwig gestattet der jetzt vielleicht 5000 oder 6000 Einwohner zählenden Stadt, ihr Gebiet bis zum heutigen Anlagenring — von etwa 40 auf 128 ha, um mehr als Doppelte — auszudehnen.
Die Vergrößerung schafft Bau- und Ackerland innerhalb der Mauern für fast 500 Jahre, für eine sechs- oder siebenmal größere Einwohnerzahl. Ihr Ausmaß ist ein deutliches Zeichen für die Prosperität des Gemeinwesens.
Der Bau der neuen Befestigung — einer über 3 km langen, 6 — 8 m hohen Mauer mit überdachtem Wehrgang, einem 8 —10 m breiten, dann sogar auch bewässerten Graben davor und alles in allem schließlich etwa (immer wieder wird da einer aufgegeben, dort neu gebaut) 60 Tor- und normalen Wehrtürmen — verlangt eine immense Anstrengung von den zunächst wohl nicht einmal 2000 erwachsenen Bürgern. Verhältnismäßig rasch entstehen — nicht zuletzt mit Bauern aus Nachbardörfern, die Burgrecht haben — Mauer und Graben, die besonders kostspieligen Türme jedoch erst nach und, nach — der Eschenheimer Turm zum Beispiel 1400 — 1428; der Rententurm an der Schiffslände 1455 — 1456; der Kuhhirtenturm in Sachsenhausen um 1490 —‚ so daß das Ganze erst 1513 fertig ist. Die staufische Mauer bleibt deshalb als innere Verteidigungslinie bestehen; noch lange werden ihre Tore nachts geschlossen; erst 1583 — 1590 wird nach Norden hin ein Stück geschleift; erst im 17. Jahrhundert kommt der Abbruch langsarn in Gang; und noch in dieser Zeit stellt die „Neustadt« mit vielen Obst- und Gemüsegärten eine Übergangszone zwischen der dicht bebauten Altstadt und der offenen Landschaft dar — und das Bezeichnende für eine „Bürgerstadt“: eine planvolle Besiedlung findet nicht statt. Der in Vorzeiten entstandene Verlauf der Landstraßen und Wege; die größeren und kleineren Gehöfte und Feldscheunen an ihnen; die Grundstückszuschnitte und -grenzen; die Eigentumsverhältnisse — sie sind da und werden respektiert. Und wenn eine Straße ausgebaut werden soll, wird verschiedentlich jahrelang um die benötigten Geländestreifen prozessiert. Vor der Stadtmauer darf nun allerdings nicht mehr oder nur bei Beachtung enger Auflagen gebaut werden.
Um die raubend herurnstreifenden adligen „Schnapphähne“ und sonstigen Wegelagerer abzuschrecken; um den auf den Feldern arbeitenden Gärtnern und Bauern, auch weidendem Vieh eine Zuflucht zu schaffen; um den befestigten Höfen vor der Stadt etwas mehr Sicherheit zu geben; um frühestmöglich gewarnt zu werden und anrückende Vorhuten zu binden, ist es unumgänglich geworden, zusätzlich zum ständigen Einsatz von Mitteln und auswärtigen wie heimischen Arbeitskräften, die vor 60 Jahren begonnene Neuummauerung auf letztem Stand zu halten, noch 2 bis 3 km vor der Stadt — wenn im Gelände möglich, an der Grenze ihres Gebiets — ein nicht ohne weiteres zu überwindendes zweites Sicherungssystem zu errichten.
— Schon in den 70er Jahren hat der Rat die zwischen dichtem Gehölz ziemlich breit und tief dahinfließende Nidda schwerer passierbar machen lassen: einige der Furten und Brücken bei Nied, Rödelheim, Hausen, Praunheim, Eschersheim, Bonames, Berkersheim und Vilbel verwahren und mit einem oder zwei verschließbaren Schlagbäumen ausrüsten lassen; auch Teile der Sachsenhäuser Feldmark wurden „verschlagen“ und „vermacht“ - die Durchlässe mit bewachten „Schlägen“ (Stegen über den Gräben) gesichert; auch mit einigen Nachbardörfern hat er sich über Maßnahmen gemeinsamer Abwehr verständigt. Dennoch haben die Kronberger und Falkensteiner 1377 163 Kühe, 13 Kälber und noch anderes Vieh von der städtischen Weide auf die ihre getrieben, haben 1380 die Räuber des „Löwenbunds“ die Stadt zur Herausgabe von Geiseln gezwungen und im Jahr darauf nochmal bedroht.
— Jetzt, 1393, ist der letzte der 73 000 Goldgulden Lösegeld - mittels drückender Kredite, sprich Schulden — bereits ein Jahr vor dem Termin nach Kronberg bezahlt, kann mit dem Bau der vorgeschobenen „Landwehr“ allmählich angefangen, das für die Warten benötigte Bauland gekauft, auch der zu diesem Zweck zwischen den Straßen nach Eschersheim und Eckenheim geeignet gelegene, nur entsprechend auszubauende Knoblauchshof (ab 1561 Kühorns-, ab 1660 Bertramshof) erworben werden. Und argwöhnisch achtet der Rat darauf, daß die von jeher befestigten, mit ein oder zwei Wassergräben kleinen Burgen gleichenden Gutshöfe vor der Stadt, nicht in den Besitz von Feinden gelangen — innerhalb der Landwehr will er versuchen, die Eigentümer zu verpflichten, nicht an Fremde zu verkaufen oder zu vererben. Immerhin liegen im Westen der Gutleuthof, der Hellerhof, die Kettenhöfe; im Norden außer dem Knoblauchshof der Lichtensteinsche (später Holzhausensche) und der Stalburgerhof; im Osten die zwei Rieder Höfe; vor Sachsenhausen der See-, der Brommen- und noch ein Riedhof, außerdem einer der unbefestigten Schafhöfe. Und bei den Gütern weiter draußen — im Westen dem Rebstock und, südlich des Mains bei Niederrad, dem Hof Goldstein und dem Sandhof, im Osten dem Wasser- wie dem Strahlenbergerhof — ist er bemüht, wenigstens zu erreichen, daß sie nicht zu sehr befestigt werden, solange er sie nicht kaufen kann.
- Fürs erste müssen ein einfacher Graben geschaufelt, der ausgehobene Wall mit,, Gebück“ (ineinander verschlungenem und wieder in den Boden gedrücktem, dann wildwucherndem Heckengestrüpp) bepflanzt, an den Hauptpassagen 5 hölzerne „Warten“ mit Schlagbäumen und demontablen Brücken gebaut und an Feldwegen ähnlich, wenn auch nur mit Wächterütten, 13 Durchlässe geschaffen werden. — Erst in 20 Jahren werden die Mittel für die erste steinerne Warte reichen und noch später für einen zweiten Graben da oder dort.
- Sofort aber und vehement begehren die angrenzenden Grundherrn auf, so daß der Rat sich schleunigst um eine Bestätigung seiner Aktivität beim Kaiser bemühen muß. –Der dem Ansinnen 1398 entspricht.
26 Jahre lang ist nun der quadratische Unterbau für einen neuen Torturm an der Straße nach „Eschenem“‚ den Meister Mengoz als Ersatz für einen beim Bau der neuen Mauer errichteten einfachen, runden Turm nur bis zur Höhe der Stadtmauer gebracht und dann behelfsmäßig mit einem Schieferdach verwahrt hat, ein arges Armutszeugnis gewesen. Jetzt aber baut Gerthener darüber fast bis in 50 Meter Höhe einen der imponierendsten und stolzesten Türme im unfriedlichen deutschen Reich.
Am 7. Juni verleiht Kaiser Friedrich das Dorf Bornheim an Frankfurt, klarer gesagt: kann die Stadt den Gerichtsort der seit Menschengedenken nichts als Ärger und Händel garantierenden Reichsgrafschaft Bornheimer Berg kaufen — und prompt sucht natürlich der Graf von Hanau dies mit allen Mitteln zu hintertreiben. Aber am 12. Oktober marschieren 50 Reisige und 200 Mann zu Fuß dorthin und erzwingen die Huldigung. Und 49 Bornheimer schwören.
Gleich nach dem Erwerb Bornheims vor drei Jahren hat sich der Rat um das Privileg bemüht, den Ort in die Landwehr einbeziehen zu dürfen, die Erlaubnis dazu auch bereits im Mai darauf erhalten und umgehend unter Aufbietung aller Kräfte - mit rund 1500 freien Bürgern und fronenden Bauern der Dörfer der Stadt — erst mit dem Ausbau der Dorfbefestigung und dann dem Schaufeln des weit um das Dorf herum über 4 Kilometer langen Grabens angefangen, der fast nur Ackerland durchschneidet und so auch noch viele Enteignungen und Entschädigungen kostet. Das ist inzwischen geschafft. Jetzt, siebe Jahre nach dem Neubau auf dem Berg vor Sachsenhausen und 85 seit dem Beginn der Plackerei an der Landwehr, muß nur noch an der Straße nach Friedberg, auf den höchsten Punkt der Gemarkung, die Warte mit ihrem Wehrhof gebaut werden: Noch einmal haben Frankfurter, Bornheimer und andere Dorfbewohner seit den ersten schönen Tagen im Mai um Gottes Lohn zu schuften oder zu zahlen.
Mit einem für die Stadt schmerzlichen — 1484 vom Kaiser bestätigten — Vertrag beendet der Rat den nun 160 Jahre währenden Streit mit den 1429 zu Grafen erhobenen Landvögten der Wetterau: Die Reichsgrafschaft Bornheimer Berg wird aufgeteilt. Graf Philipp von Hanau erhält 17, Fraunkfurt lediglich 3 Dörfer seiner nächsten Umgebung — er bekommt Nied, Griesheim, Bockenheim, Ginnheim, Eschersheim, Eckenheim, Preungesheim, Berkersheim, Massenheim, Vilbel, Gronau, Seckbach, Bergen und Enkheim, Fechenheim, Bischofsheim, Offenbach (und bestimmt für sie nun Bergen zum Sitz des Blutgerichts), während die Stadt nur Oberrad, Hausen und Bornheim, den bisherigen Gerichtsort, endgültig in nehmen kann.
Wohl am Platz eines früheren Ziehbrunnens sprudelt jetzt ein mit Stolz bestaunter Springbrunnen vor dem Römer. Der Bau einer Wasserleitung zum 2 Kilometer nördlich gelegenen Friedberger Feld, der ersten in der Stadt, mit hölzernen Rohren, hat das Kunstwerk möglich gemacht.
Obwohl zugunsten von Neuem schon immer ohne Bedenken abgebrochen worden ist, so hat sich doch das Stadtbild bis jetzt gleichsam nur in Einzelheiten und nach und nach verändert — jetzt, in der Zeit der Aufklärung, eines geistigen Aufbruchs ohnegleichen, mit dem Aufkommen des Klassizismus, verwandelt es sich grundlegend — in den Formen, im Maßstab, im Material — und schnell: breitgelagerte Hauskörper mit großen Stockwerkshöhen, Fensterachsen und -öffnungen; horizontale Abschlußgesimse, die Dächer dahinter nicht mehr zu sehen; lange Mansarddächer mit flachgiebeligen Zwerchhäusern; in der Klarheit der Flächenverhältnisse; in den stilistischen Elementen; in der Anwendung und Behandlung der Materialien: Fassaden nach Vorbildern der frühen Renaissance Italiens und eine betonte Einfachheit sind jetzt das Ideal. Die Vergangenheit soll ein Ende haben, ein besseres Leben beginnen und zum Ausdruck gebracht werden — bewußt und leichten Herzens wird abgebrochen, noch mehr als bisher. Nur in den engen Gassen, zumal in der Altstadt, die schon längst nicht mehr als gute Adresse gilt, bleibt das Bild der alten Stadt bewahrt. — Dieses Mal sind es hinzugezogene französische Architekten, die in dem neuen Stil die Maßstäbe setzen.
Viele Bürger haben vor den Toren kleine oder größere Gärten, zum Teil sogar mit als Sommerwohnung dienenden Gartenhäusern und wohlhabende, wie zum Beispiel J J. Willemer 1785 in der alten Gerber(farben)mühle, schaffen sich recht behagliche Landsitze. Zwischen 1720 und 1800 werden über 500 Baugesuche zum Neu- oder Umbau von Gartenhäusern eingereicht.
Im Juni dekretiert der Landesherr, daß „... der Erlös aus dem Verkauf der zu demolierenden Plätze zu den Kosten der Demolition und Verschönerung der Umgebung der Stadt, soweit dieses nicht von den Käufern der Plätze als Kaufbedingung auferlegt und von diesen mitübernommen wird, allein verwendet „ werde — und eben jene Kaufbedingungen rund um die entfestigte Stadt, die in den Einzelheiten variieren, sind nach heutigem Verständnis als die zweite städtebauliche Planung in Frankfurt anzusehen: Nicht nur, weil zugeschüttete Gräben ein schlechter Baugrund sind; nicht nur, um die sehr locker gedachte Stadterweiterung von der Enge der Altstadt deutlich abzusetzen. Um das gewollt Andere gegenüber dem bisher Gewesenen so noch besser sichtbar zu machen; sicher auch, weil in der schlecht durchlüfteten Stadt ein dringendes Bedürfnis dafür besteht, wird das zickzackförmige Außengelände der Befestigungen unter der Leitung des Stadtgärtners in eine etwa 5 Kilometer lange, im Mittel 100 Meter breite “Wallpromenade“ verwandelt; nur auf der Innenseite dieses “Anlagenrings“, entlang der neuen Straßen, welche im Zug der geschleiften gotischen Mauer gebaut werden — an der Neuen Mainzer-, Hoch-, Bleich-, Seiler- und Lange Straße —‚ wird parzelliert und mit der Auflage verkauft, zu den Anlagen hin eine hintere Baulinie einzuhalten: lediglich Vorderhäuser an der Straße zu bauen und die übrige, an die Promenade angrenzende Grundstücksfläche innerhalb eines Jahrs als Garten anzulegen. — Diese Vertragsbedingungen Wallservitut zu nennen, kommt erst in späteren Jahren auf
Im Juli findet die erste öffentliche Versteigerung
von Wallgrundstucken statt. — 1814 werden nördlich des Mains, 1817 in
Sachsenhausen die letzten verkauft. Und schnell gelten die an der Neuen Mainzer
Straße als „bessere Wohnlage “; als beste natürlich die am „Kleinen Main“ beim
Schneidwall und Untermaintor.
Nur: Für das eigentliche Erweiterungsgebiet der Stadt — sie wächst von 128 auf
7000 ha — wird nicht geplant. Wie bei der dritten großen Ausdehnung vor fast
500 Jahren bleibt es beim überkommenen Verlauf der Straßen und Wege;
Nebenstraßen entstehen erst, wenn Grundstücksteilungen es erfordern, nach und
nach, aus den alten Gartenwegen, ohne System.
Auf Vorschlag des Stadtbaumeisters erläßt Fürstprimas von Dalberg ein „Neues Baustatut“, welches, bis 1884 in Kraft, die bauliche Entwicklung der Stadt im 19. Jahrhundert bestimmt —man will die „totale Umgestaltung der alten Stadt im Sinne des klassizistischen Ideals“ (H. K Zimmermann):
- Der klassizistische Haustyp wird generell auch für jeden Neubau in der Altstadt vorgeschrieben; die Traufen parallel zur Straße; die Dachhöhe „unter dem Rechten Winkel“; die „zur größten Unzier gereichenden Überhänge“, Erker, sonstigen Ausladungen, Zwerchhäuser, Belvedere und nun auch Mansarddächer sind untersagt; sogar eine obligatorische Bauberatung mit der Befugnis zu Zwangsauflagen wird eingerichtet. Zur Verbesserung des Straßenbilds werden Geschoßzahl und Hauptgesimshöhe festgelegt: an breiten Straßen 3 Obergeschosse über einem Erdgeschoß mit Zwischenstockwerk, höchstens 64 Schuh (18,21 m) hoch; an schmalen Straßen 2 Obergeschosse und höchstens 48 Schuh (13,66 in) Höhe. Und was das Straßenbild ebenso entscheidend verändert: Alle Häuser sollen von jetzt an in Stein errichtet werden; in Ausnahmefällen wird höchstens noch ein Stock mit Fachwerk genehmigt — und muß des Flächengewinns, der geringeren Kosten, der kürzeren Bauzeit wegen auch oft genehmigt werden. Bäume vor den Häusern zu pflanzen, ist nicht erlaubt — nichts soll das Gerade, Saubere, Einheitliche, die Symmetrie, das klassisch Einfache stören. Und kaum weniger bedeutsam ist, daß jetzt jeder mehr als 30 Schuh (8,54 m) breite Neubau beiderseits Brandwände haben muß — es sich lohnt, mehrere Nachbarhäuser durch ein einziges Gebäude zu ersetzen oder nicht zu bauen. - Technische Vorschriften für Schornsteine, Dach- und Küchenentwässerung, Aborte und Gruben,feuergefährdete Werkstätten u. a. vervollständigen das Statut, nach dem Pläne nur dann eine Chance haben, wenn sie „mit den Gesetzen der Symmetrie und des guten Geschmacks vereinbarlich“ sind.
- Aber: Die Ausnutzung der Grundstücke bleibt ungeregelt, im Erweiterungsgebiet wie in der Altstadt, in der deshalb die Bebauungsdichte in diesem Jahrhundert vollends inakzeptabel wird. Auch über Mindestanforderungen für ein gesundes Leben, über notwendige Befensterung, Mindesthöhe oder Mindestluftraum von Wohn- und Arbeitsräumen ist nichts gesagt. Und: Die Planung sieht nun christliche und jüdische Wohnviertel vor.
Bis auf einige wenige der einst mehr als 60 Türme ist die vor 15 Jahren noch so eindrucksvolle wie „wertlose“ Stadtbefestigung verschwunden.
Seit 6 Jahren wird die Wasserversorgung modernisiert und ausgebaut. Aus den alten Quellen im Friedberger Feld und neuerschlossenen im Knoblauchfeld stehen jetzt täglich etwa 1500 cbm Quellwasser zur Verfügung. Durch Rohrleitungen wird es zu Kammern am Friedberger und Eschenheimer Tor und von dort aus zu 98 Pumpbrunnen, 120 Röhrenbrunnen, 120 Feuerhydranten und etwa 300 Hauszapfstellen geführt.
„Die Zahl der Landhäuser nimmt mit jedem Sommer zu, und namentlich in der Nähe der lebhaftesten Eingänge der Stadt vor dem Bockenheimer-, Friedberger- und Allerheiligen Tore sind zu beiden Seiten der Chaussee förmliche Straßen entstanden, die in wenigen Jahren vielleicht Teile einer neuen Vorstadt bilden werden“, berichtet ein Stadtführer
Jetzt auch hier eine Dampfmaschine mit Genehmigung! nicht ohne wie im letzten Jahr, was die Druckerei des Frankfurter Journals 10 Taler Strafe gekostet hat. Der Inhaber der Farbmühle vor dem Eschenheimer Tor hat Gutachten des Physikalischen Vereins und der Kgl. Preussischen Untersuchungskommission in Aachen vorgelegt, die keine Gefahren erkennen können. Also gestattete der Senat die mit vielerlei Argumenten heiß bekämpfte Installation
Amschel Mayer von Rothschild erwirbt ein ursprünglich Stalburgsches, im Vergleich mit dem heutigen Park kleines, erst im ausgehenden 18. Jahrhundert „Zur grünen Burg“ genanntes Hofgut im Nordwesten, Carl Mayer das nach seinem Besitzer im 17. Jahrhundert Günthersburg, vorher Bornburg genannte einst Glauburgsche Anwesen im Norden der Stadt. Beide Brüder haben den Wunsch, die Güter in Englische Gärten zu verwandeln.
beginnt die Stadtverwaltung, in die wilde, völlig planlose Bautätigkeit in der Gärtnereizone außerhalb der Wallanlagen ordnend einzugreifen; erzeugen doch „die Verfeinerung des häuslichen Lebens, das herrschend gewordene Bedürfnis nach frischer Luft, nach Aussicht und Gärten einen wahren Exodus der inneren Stadt vor die Tore“: Aufgrund eines vor zwei Jahren erlassenen Gesetzes „die Anlage von Gärten, Gebäuden und Straßen etc. betr.“, in dem die Gesetzgebende Versammlung Vorschriften über Hausabstände, Straßenbreiten und — erstmals —‚ wenn wünschenswert, nun auch im Abstand von den Straßen festzulegende Gebäudefluchtlinien — in der ummauerten Stadt ganz und gar undenkbar: über die Anlage von Vorgärten — verabschiedet hat, werden jetzt wenigstens für die dem Anlagenring nächstgelegenen Gebiete Pläne mit Straßen- und Baufluchtlinien aufgestellt, welche die zwischen den vorhandenen Landstraßen und Feldwegen fast immer schiefwinkligen Flächen, so gut es eben geht, durch ein rechtwinkliges Straßennetz erschließen und eine Blockrandbebauung, eine recht hohe Dichte, vorschreiben. — Und in der Altstadt, deren Gassen den Verkehr nicht mehr bewältigen, die Altstadt zunehmend alt werden lassen, beginnt bereits 1850 mit der Trierischen Gasse, die lange, erst 1905 endende Reihe der Straßendurchbrüche und Straßenverbreiterungen.
An allen Wegen nach draußen und dazwischen wird, so will es scheinen, wo unlängst noch ein Garten war, gebaut; eine sinnvolle Entwicklung ist jedoch nicht zu erkennen — J. A. Hammeran und August Ravenstein appellieren jetzt mehrfach - 1856 und 1858; 1857, 1860, 1862, 1865 - schriftlich und in aller Öffentlichkeit an den Senat, endlich für eine Planung zu sorgen. Mit sorgfältig begründeten, auch auf Plänen dargestellten Vorschlägen für eine Auflockerung der Altstadt, für Straßendurchbrüche zu deren besserer Erschließung und Durchlüftung wie zu besserer Verbindung der äußeren Stadtteile, für drei weitere Brücken, für Parkanlagen mit Turn- und Spielplätzen, für Alleen und Spazierwege, für die Aufhebung anachronistischer Besteuerungsgrenzen innerhalb des groß gewordenen Baugebiets und eine funktionale Ordnung des Ganzen fordern sie als erstes einen Generalplan; dazu die Ausschreibung eines Wettbewerbs nach dem Vorbild Wiens; ein Enteignungsgesetz; und die Aufnahme einer Anleihe zur Schaffung eines Stadterweiterungsfonds, welcher von einer unabhängigen Kommission verwaltet und eingesetzt werden soll — vergebens bis zum Ende der Freien Stadt.
Nach unermüdlichen Mühen kann der hoch geachtete Dr. Heinrich Hoffmann — der vor drei Jahrzehnten als 25jähriger zusammen mit anderen Ärzten das Armenhospital gegründet hat, für seine Kinder den „Struwwelpeter“ erfand, 1848 Frankfurt im Vorparlament vertrat und seit 1851 das städtische Irrenhaus in der Meisengasse leitet — mit den ersten Patienten in „seine „Anstalt für Irre und Epileptische“ einziehen. in einen hochmodernen Heil- und Pflegekomplex mit 200 Betten, Ärzte- und Pflegerwohnungen in mehreren Flügeln und Pavillons im „gotischen Stil“, der mit der Hilfe großzügiger Spender in den Obstwiesen östlich der jetzt 20 Jahre alten „ Villa Grüneburg“ erbaut worden und jetzt Frankfurts weitaus größtes Krankenhaus ist.
Und wieder einmal: Nun beantragt Geheimer Justizrat Dr. Friedleben, „den Eschenheimer Turm als einen Anachronismus, eine Verunstaltung der Straße, als ein völlig wertloses Objekt ohne historische Bedeutung einzureißen“ — „weil er sich „‚ wie unlängst auch der Stadtbaumeister gemeint hat, „durch keine architektonische Schönheit auszeichnet, sondern als eine plumpe Mauermasse dasteht und nur zur Verfinsterung der nahestehenden neuen Gebäude und zur Hemmung der freien Passage dient“. — Dr. Varrentrapp und Gleichgesinnten gelingt es, den Abbruch zu verhindern.
Wider alles Erwarten setzt bald ein enormer Aufschwung ein. Die Zeiten eines sich selbst genügenden, engbegrenzten Sonderdaseins sind vorbei. Sind vor dem Krieg jährlich etwa 100 Neubauten entstanden, so sind es bis 1885 rund 350 und danach noch mehr.
Das Erschließen neuen Baulands ist freiem Unternehmertum überlassen — das Wachstum der Stadt das Ergebnis von Spekulation. Immobiliengesellschaften parzellieren das Nordend, das Westend und auf der Sachsenhäuser Seite, auch jenseits der Stadtgrenze in Bornheim, das bis zur Ankunft der Preußen fast 400 Jahre lang zur Stadt gehörte, und anderswo.
Die „Stadtpläne“ dazu weisen jetzt nach Pariser Vorbild halb- oder kreisrunde Plätze mit sternförmig abgehenden Straßen und diagonalen Verbindungen aus; wenn möglich, werden die Straßen auf einen bedeutsamen Blickpunkt, zum Beispiel den Dom ausgerichtet und sorgfältig mit unterschiedlichen Profilen gestaltet. An eine gesamtstädtische Konzeption wird jedoch nicht gedacht.
Immer dringender werden Straßenverbreiterungen und Straßendurchbrüche, um die Innenstadt besser zu erschließen und zu nutzen : Den schon fertigen — Trierische Gasse (1850); Liebfrauenstraße (1855); Junghofstraße (1860) und Petersstraße (1861) —folgen nun. 1872 Kaiserstraße, Friedensstraße, Kirchnerstraße, Bethmannstraße und Judengasse; 1874 Schnurgasse; 1875 Börsenplatz; 1878 Hasengasse; 1881 Zeil östlich der Konstablerwache und der westliche Teil der Battonnstraße; 1887 Verlängerung der Junghofstraße durch die Wallanlagen; 1890 Schillerstraße. Noch vorhandenes Gartenland verschwindet, weil die Durchbrüche auch wegen des Fehlens eines gerechten Enteignungsrechts möglichst durch nicht bebaute Binnenräume geführt werden und den Baubestand schonen; und da nun 4- bis 5geschossige Häuser nicht nur dort, sondern auch da gebaut werden, wo 2- bis 3stöckige stehen, sind nicht nur leistungsfähigere, sondern anders aussehende Straßen und eine starke Verdichtung das sichtbare Resultat dieses geradezu dramatischen Um-, richtiger Neubaus der Innenstadt.
Ebenso nötig sind weitere Brücken: 1874 wird die Untermainbrücke, 1878 die Obermainbrücke eingeweiht.
Und richtungweisende Bauwerke entstehen: bis 1878 der vollendete Dom; 1873 — 80 das Opernhaus; 1874 — 78 das Städelsche Kunstinstitut; 1874 — 79 die Börse; 1874 — 76 das Gesellschaftshaus im Zoologischen Garten; 1875 — 76 das Hotel Frankfurter Hof 1875 — 80 die Dreikönigskirche; 1877— 78 eine Markthalle; 1879 nach einem Brand als Wiederaufbau das Gesellschaftshaus im Palmengarten; 1881 — 82 eine Synagoge am Börneplatz; 1883 — 88 der Hauptbahnhof, 1884 —89 der tatsächlich so genannte Justizpalast.
Nur der Wohnungsbau kommt nicht nach — es gibt bessere Jnvestitionsmöglichkeiten. Herrschten schon vor dem Krieg Wohnungsmangel und Mietwucher, verschlimmert sich die Situation jetzt noch. Zur Wohnungsnot der in der Innenstadt obdachlos Werdenden kommt die der fortwährend Zuziehenden hinzu; Tausende leben in gedrängtesten Verhältnissen; in Barrackenlagern, in überbelegten Einzelzimmern, auch nur mit Schlafstellen für die Nacht. Zwar hört die Bautätigkeit nicht auf, doch werden nur mittlere und große Wohnungen gebaut, obwohl solche leerstehen und kleine fehlen. Und eine enorme Steigerung der Mieten infolge der Knappheit verschärft ständig die Lage. In den 80er Jahren stehen selbst bei den gemeinnützigen Baugesellschaften Wohnungen leer und in diesem Jahrzehnt werden von ihnen auch nur noch 30 gebaut.
Auch an der eigentlichen Altstadt geht der Boom vorbei. Schon lange ist sie nicht mehr der Mittelpunkt der Stadt, wird sie mehr und mehr zu einer kleinbürgerlichen, vor sich hin alternden Stadt in der Stadt.
Eine neue Bauordnung ersetzt das mit drei Ergänzungen noch immer geltende Baustatut von 1809 — die schon seit langem erkannten Probleme der Stadtentwicklung werden durch sie noch verschärft: Für Innenstadt und Außengebiet gelten nicht mehr unterschiedliche Regeln; da wie dort sind jetzt einheitlich 5 Geschosse erlaubt; 3/4 des Grundstücks dürfen bebaut werden, auch bei 5 Geschossen, was eine Ausnutzungsziffer von 5 x 0,75 = 3,75 ergibt; störende Betriebe, bisher nur in bestimmten Straßen und im Außenbereich zugelassen, sind jetzt überall gestattet. — Von der allgemeinen Erhöhung der Ausnutzung, zumal der Geschoßzahl in den Außenbezirken, erhofft man sich eine Verbilligung der Mieten; entsprechend steigen aber die Grundstückspreise; und der Mangel an Licht und Luft und Ruhe entsteht nun auch dort. Schon bald wird die Trennung der Funktionen — von „wohnen, arbeiten, sich erholen, zirkulieren“, wie später formuliert — gefordert werden.
Dem rapiden Wachstum an Einwohnern, Wohn- und Arbeitsstätten entspricht eine mindestens ebenso enorme Steigerung der Bedürfnisse, die logischerweise im Zentrum befriedigt werden: Wohnhäuser verschwinden, Wohnungen werden zweckentfremdet und viele Betriebe, nicht nur die Brauereien oder heuer der Schlachthof, die sich in der engen, alten Stadt nicht ausdehnen können, ziehen hinaus aufs freie Feld an die Peripherie: Büros, Bürohäuser, Kaufhäuser und größere Spezialgeschäfte sind ihr Ersatz — das Bild der City verändert sich, und immer kleiner wird die Zahl der Einwohner dort.
Dr. Franz Adickes (1846 — 1915) ist Oberbürgermeister. „In Adickes lebt zum ersten Mal in der Frankfurter Verwaltung die Idee der Gesamtplanung auf, nach der das Wachstum und die Erneuerung der Stadt vor sich gehen kann ... Es ist ein einheitlich gestaltender Wille am Werk, der dem Gange der Entwicklung nachspürt und der sich nicht mehr damit begnügt, sich unter dem Druck der Geschehnisse seine Maßregeln abzwingen zu lassen ... Der Eindruck verliert sich, daß die fortschreitende Entwicklung der Stadt und das Anwachsen der Bevölkerung die Verwaltung überrascht. Unter der selbständig gestaltenden Leitung des Oberbürgermeisters erfaßt sie die Gesamtgestaltung als Aufgabe. Die einzelnen Glieder des Stadtkörpers werden nicht mehr für sich, sondern als Teil eines organischen Ganzen betrachtet und danach behandelt.“ (W. Bangert)
Die Stadt hat über 180 000 Einwohner, einschließlich der gut 20000 eingemeindeten Bornheimer 90000 mehr als vor 20 Jahren.
Eine der ersten Handlungen des neuen Oberbürgermeisters ist die Berufung einer Kommission zur Revision der Fluchtlinienpläne und des Baurechts, und noch im selben Jahr wird eine neue Bauordnung erlassen. Sie stellt die als natürlich empfundene Abstufung wieder her: Für die Innenstadt — das Gebiet innerhalb des Anlagenrings, das eben erst parzellierte Bahnhofsviertel und den alten Teil Sachsenhausens — gelten die (dort die Ausnutzung gegenüber früher beschränkenden) Vorschriften von 1884 weiter. Das Außengebiet aber ist in eine innere und eine äußere Zone eingeteilt — 1910 kommt noch eine „Landkreiszone“ hinzu —‚ in denen Fabrikviertel, gemischte Viertel, Wohnviertel und Landhausviertel ausgewiesen sind und je nach zugelassener Geschoßzahl verschieden große Freiflächen unbebaut bleiben müssen. Um Auflockerung, Belichtung und Belüftung zu erreichen, werden auch wieder Bauwiche (Grenzabstände) festgelegt. Offene und halboffene Bauweisen sind das Ziel und sollen die Regel sein. — Ein Sturm der Entrüstung ist die Folge. Das Verwaltungsgericht jedoch weist alle Einsprüche ab: Ein großer Fortschritt ist erreicht —doch nicht groß genug aus späterer Sicht. Auch die neuen Vorschriften lassen noch zu hohe Ausnutzungen zu; und sie sind nur durchzusetzen, wo noch keine gebauten Präzedenzfälle die Grundstückspreise vervielfacht und auch für die Nachbarn zu wohlerworbenen Rechten“ gemacht haben, die zu entschädigen wären — nur dort also, wo die Wiesen und Äcker noch unberührt sind.
Der städtebaulichen Planung legt Adickes die Idee eines zweiten Rings für den Verkehr zugrunde, einer breiten, zwischen den beiden Fahrbahnen baumbestandenen Promenade, welche an parkartigen Erweiterungen von radialen Alleen gekreuzt wird, die den inneren „Anlagenring“ oder doch die angrenzenden Wohngebiete mit dem neuen „Alleenring“ und weiter hinaus mit Parks oder freier Landschaft verbinden. Und weil die überkommenen Ausfallstraßen, weitgehend bebaut, nicht mehr auf das erwünschte Maß verbreitern sind, wird für jede eine Entlastungsstraße geplant; so entstehen die Frankenallee, die Hansaallee, die Günthersburgallee und Ansätze wie die Eysseneck-, Bertram- und Grafenstraße. Auch sie werden möglichst auf Blickpunkte richtet. — Vor allem weil ein geeignetes Bodenrecht fehlt, wird die ebenso großzügig wie repräsentativ gedachte neue Stadtstruktur nur in Teilen Wirklichkeit.