Von Brendan Berk
Eine Gedenktafel erinnert an den jüdischen Industriellen Joseph Wertheim
Ein Stück Geschichte ist zurück: Im Hof des so genannten "Burgblocks" erinnert jetzt eine Tafel an den jüdischen industriellen und Mäzen Joseph Wertheim (1804-1899).
Er war Frankfurter Stadtverordneter, Mitbegründer der „Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnungen" und die Nähmaschinen aus seiner Bornheimer Fabrik ratterten in der ganzen Welt. Dennoch gibt es kaum historische Zeugnisse, die auf Joseph Wertheim hinweisen. Die Nationalsozialisten wollten den Namen des jüdischen Geschäftsmanns aus der Geschichte löschen.
Gestern luden die Wohnungsbaugesellschaft ABG Frankfurt Holding und der Förderkreis historisches Bornheim ein, „um das wiederherzustellen, was vor der Naziherrschaft war." Über dem Eingang des Hauses Burgstraße 81 im Burgblock wurde ein Schild mit der Aufschrift „Jos. Wertheimsches Vereinshaus" enthüllt.
Wertheim hatte im Jahr 1885 in dem Haus einen Treffpunkt für die Bewohner der Arbeitersiedlung geschaffen und mit 70 000 Mark Stiftungskapital versehen. Von dem Geld wurde eine „Arbeiterbibliothek" eingerichtet. So gab es dort Kurse für werdende Mütter und Seminare zum Thema Gartenbau. Später wurden Teile des „Joseph-Wertheim-Hauses" an gemeinnützige Organisationen übergeben. Die Gesellschaft für Wohlfahrtseinrichtungen betrieb dort eine Volksküche, es gab Kinderhorte und regelmäßige Vorträge des „Ausschusses für Volksvorlesungen". Heute vermietet die Holding dort Wohnungen.
Das Vereinshaus von Joseph Wertheim sei ein frühes Beispiel für „ganzheitliches Wohnen", sagte ABG-Chef FrankJunker. Die Einrichtung von „Bewohnertreffs" sei auch heute noch ein wichtiges Mittel, um das nachbarschaftliche Miteinander zu fördern.
Dass der Treffpunkt im Burgblock einmal den Namen Joseph Wertheims trug, hatte Bernhard Ochs vom Förderkreis historisches Bornheim auf einem alten Foto entdeckt: „ Mir viel auf, dass die Nationalsozialisten die ursprüngliche Platte durch ein Schild mir der Aufschrift „Vereinshaus" ersetzt hatten, damit nichts mehr an die jüdische Familie erinnert."
In der Fabrik wurden bis 1918 etwa 1,5 Millionen Maschinen zusammengeschraubt
Berthold Engel beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit dem industriellen Vermächtnis von Joseph Wertheim. Der Sammler historischer Nähmaschinen war zur Enthüllung der Tafel aus Bad Orb nach Frankfurt gekommen. „In der gesamten Nähmaschinen-Literatur gibt es kaum etwas über Wertheim", erklärt Engel. Nach seinen Schätzungen wurden in dem Fabrikkomplex zwischen Eichwald-, Petterweil-, Germania- und Burgstraße bis 1918 rund 1,5 Millionen Nähmaschinen hergestellt. Auf den Maschinen befand sich als Firmenlogo ein Zwerg mit Hammer. 1932 wurde die Produktion nach Spanien ausgelagert.
Die Familie Wertheim sei offensichtlich „besonders weitsichtig" gewesen und habe rechtzeitig erkannt, was damals auf die Juden in Deutschland zugekommen sei, meint Carlos Guilliard. Der Urgroßneffe Joseph Wertheims lebt in München. Er sei froh, dass Frankfurt seinen bedeutenden Vorfahren nun wiederentdeckt habe.