von Sandra Busch
Mit Margit Thomas über die Eckenheimer Landstraße
Wenn Margit Thomas das Haus verlässt, dann stürzt eine gewaltige Geräuschkulisse auf sie ein: Es rattert und dröhnt, tutet, klingelt, und quietscht auf der Eckenheimer Landstraße. Nur mit größter Aufmerksamkeit schafft es die 62-Jährige, eine solche Straße zu überqueren. Denn Thomas ist blind, kann grüne Ampeln nur „erhören".
Haltende Autos, herannahende U-Bahnen muss sie allein mit dem Ohr wahrnehmen - eine anstrengende Arbeit für das Sinnesorgan. „Das Gehör ist den ganzen Tag strapaziert", sagt Thomas. „Blind sein bedeutet, permanent hoch konzentriert zu sein." Deshalb ist sie froh über Hilfsmittel, die den Alltag im Straßenverkehr zumindest erleichtern.
So wie der Blindenstock. Oder akustische Ampeln, die bei Grün ein Signal abgeben. „Doch häufig sind die viel zu leise gestellt", bemängelt Thomas. Oftmals werde die Lautstärke herunter geregelt, weil sich Anwohner über das ständige Gepiepe der Ampeln beschwerten. „Klar, nervt das. Doch bei großem Verkehrslärm hören wir sie dann gar nicht mehr." Auf der Eckenheimer Landstraße tackern die Ampeln daher nur auf Tastendruck. Eine gute Lösung findet Thomas.
Doch Gefahren lauern für Blinde nicht nur auf der Straße, sondern auch auf dem Fußgängerweg: Wenn im Sommer die Cafés Stühle und Tische auf den Gehweg stellen, dann gerät der Spaziergang schnell zum Hürdenlauf.
Wenn Cafés im Sommer die Tische heraus stellen, wird jeder Gang zum Hürdenlauf
„Es wäre schön, wenn ein solcher Platz mit Noppenplatten oder Rillen abgegrenzt wäre", wünscht sich Thomas. „Dann würde man nicht so oft dagegen laufen."
Der Blindenstock rettet dabei zwar vor so manchem Unfall, doch auch er nützt nicht immer. Vor Hundehaufen schützt er selten, auch auf dem Gehweg abgestellte Fahrräder sind ein Problem. „Da rennt man oft gegen den herausragenden Lenker ; erzählt Thomas. „Oder holt sich von den Pedalen Flecken auf der Hose."
Deshalb heißt es Konzentration für Blinde auf der Straße. In der Regel findet Thomas sich aber ohne fremde Hilfe im Straßenverkehr zurecht, nur ab und zu bleibt sie auf andere angewiesen. „Wenn zwei Buslinien eine Haltestelle anfahren muss man schon mal nach der Busnummer fragen", sagt Thomas. „Nicht, dass man in den falschen einsteigt."
Manchmal aber wollen Sehende von sich aus schnell helfen, und dann wird die Blinde schon einmal über eine Straße gebracht, über die sie gar nicht will. „Immer erst fragen, ob man helfen kann", rät Thomas. „Nicht einfach zupacken."
Immer wieder gebe es solche Situationen, in denen Sehende gegenüber Blinden unsicher sind. Der Grund sei meist Unwissenheit. Deshalb blieben Sehende oft stehen, wenn ein Blinder entgegenkomme - ein Unsinn. „Dann höre ich sie nämlich nicht mehr und sie sind für mich unsichtbar", erklärt Thomas.
Je ruhiger eine Straße, desto einfacher ist es daher für Blinde, sich zurecht zu finden. Momentan ist Margit Thomas deshalb glücklich, mit der Verkehrssituation vor ihrer Haustür.
Sie wohnt an der Adlerflychtstraße - die derzeit wegen einer Baustelle gesperrt ist. „Es ist so viel ruhiger als vorher", sagt Thomas - und wünscht sich, das würde so bleiben.