von GEORGE GRODENSKY
Zahlreiche Flaneure haben an der Bornheimer Einkaufsstraße am Wochenende die lässige Promenadenstimmung mit Urlaubsflair genossen
„Wir machen St. Tropez am Baggersee", sangen einst die Rodgau Monotones. Das ist zwar pragmatisch gedacht, doch den ersehnten mediterranen Flair suchte man an der Kiesgrube vergebens. Was die Monotones mit Musik zu erzeugen versuchten, ist dagegen den Frankfurtern am Wochenende quasi „im Vorbeischlendern" gelungen. An der Berger Straße verbreiteten zahlreiche Besucher Ende April eine hochsommerliche Stimmung, als wären sie im Urlaub an einer schicken Strandpromenade.
Dort hat es am Samstag um 20.30 Uhr niemand mehr eilig. Die Geschäfte sind geschlossen, die Arbeit ist getan. Pärchen flanieren Arm in Arm an den Schaufenstern entlang. Gelassenheit ist angesagt. Das gilt sogar für Autofahrer. Raser bremsen auf der
Berger Straße die Bodenwellen ohnehin ab. Wer kann, kurbelt das Verdeck herunter. Die meisten müssen sich allerdings damit begnügen, den Ellenbogen zum Seitenfenster heraushängen zu lassen.
Die Stimmung auf dem Merianplatz ist heiter-gelassen. Nur selten sieht man ein mürrisches Gesicht. Wenn, dann gehört es einem Eintrachtfan, der an der Niederlage seines Teams zu knabbern hat. Darüber machen sich die Kids vom Jugendhaus Heideplatz keine Sorgen. Sie sind sowieso die besten Kicker, davon sind sie überzeugt. „Wir bräuchten hier einen ordentlichen Fußballplatz, dann würden wir es mit allen aufnehmen", tönen sie. Bei gutem Wetter ist der westliche Teil des Merianplatzes ihr „zweites Zuhause".
Eine ältere türkische Frau schaut dem Treiben belustigt zu, dabei nascht sie Sonnenblumenkerne. Auf das gute Wetter angesprochen, verfinstert sich jedoch ihr Gesicht: „Das ist nicht normal im April", schimpft sie und prognostiziert eine schlechte Ernte und eine Mückenplage. Davon ist an diesem Abend aber noch nichts zu sehen. Die Bäume links und rechts der Straße sind grün, die Besucher der Lokale bleiben von Insekten weitgehend unbehelligt.
Das Leben spielt sich auf der Straße ab. In den Kneipen sitzt so gut wie niemand. Alle Gastronomen haben Tische und Bänke auf dem Gehweg aufgebaut. Der Asphalt gibt bis in die späten Abendstunden die tagsüber gespeicherte Sonnenwärme ab. Kellner bieten den Gästen scherzend an, den Heizstrahler anzustellen. Die meisten lehnen ab.
Ein Paar im mittleren Alter hat es sich vor einem Eiscafe gemütlich gemacht. „Wir testen Spaghetti-Eis", sagen sie. Dabei haben sie weniger ihren Teller im Blick, als die Menschen, die vorüberflanieren. „Die Leute sind zwar luftig gekleidet, aber doch in einer gewissen Eleganz", haben sie beobachtet. Kurze Hosen sehe man nur ganz selten.
Auch Thorsten, David und Nathalie genießen entspannt das Berger-Flair. Sie sind extra aus den westlichen Vororten gekommen. „Hier ist die Atmosphäre herrlich großstädtisch`; schwärmen die jungen Leute. Lediglich die Parkplatzsuche sei „mühsam" und die Einbahnstraßen „der Horror".
Je stärker sich die Straße nach Norden hin verengt, desto näher rücken auch die Leute zusammen. „Dafür liebe ich die Berger", sagt Lela Hess. Man komme wunderbar mit anderen Menschen ins Gespräch, erklärt die junge Frau. Das „reinste Urlaubsfeeling" hat sie ausgemacht. Um 24 Uhr ist der Urlaub allerdings vorbei. Dann müssen die Restaurants und Bars ihre Außenbewirtung einstellen, damit die Anwohner etwas Nachtruhe bekommen. Mit der sei es aber nicht weit her, weiß Eric Schmitt zu berichten. Die Feierwütigen pilgerten nämlich noch lange danach von Bar zu Bar. „Das muss man sich vorher überlegen, wenn man überlegt, hierherzuziehen", sagt der Familienvater grinsend. Viele Vermieter wiesen schon im Mietvertrag darauf hin, dass es abends lauter werden könne.
Vom Gebot zur Nachtruhe lässt sich auch Gaukler Di Giliano nicht beeindrucken. Solange noch Menschen unterwegs sind, ist sein Arbeitstag nicht beendet. Mit lauten Pfiffen trommelt er ein Publikum zusammen und lässt in einer Feuerjonglage die Fackeln kreisen. Eine bessere Show bietet auch St. Tropez nicht.